Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Bewegung hinter seinem Rücken spürte und sich, einem Reflex gehorchend, umdrehte.
Beinahe hätte der stämmige Wärter die Hand noch rechtzeitig hochbekommen, um den auf ihn niedersausenden Hieb eines der Ersatzhämmer abzuwehren. Aber eben nur beinahe. Stattdessen traf ihn der Hammer mitten auf der Brust. Er taumelte nach hinten, stolperte über die gemauerte Bodenerhebung und fiel auf den Rücken.
Im Nu war Roger über ihm, den Hammer hoch über dem Kopf erhoben, um ihn in Schach zu halten. »Wo ist der Schlüssel?«, verlangte der kleine, aber gefährliche Mann zu wissen.
Der Gefangenenwärter hielt sich eine Hand vors Gesicht, um sich vor weiteren Hieben zu schützen, und schüttelte verängstigt den Kopf. Sein Atem kam in kurzen, rasselnden Stößen.
»Der Schlüssel!«, fuhr Roger ihn an.
»Es gibt keinen Schlüssel!«, rief einer der Gefangenen.
»Das ist unser Todesurteil!«, klagte ein anderer. Sein Ruf wurde sofort von anderen in der Reihe aufgegriffen – bis sich eine Stimme über alle anderen erhob, die Roger kannte.
»Meister Flinkfinger?«, rief Bischof Braumin Herde. »Roger?«
Roger hob den Kopf und sah zu seinem Freund, musste sich aber sofort wieder dem Wärter zuwenden, der plötzlich sein Bein zu packen versuchte. Der Hammer senkte sich herab, der Wärter schaffte es jedoch, den Schlag abzuwehren und das schwere Werkzeug ein gutes Stück zur Seite zu drücken, sodass Roger entweder loslassen musste oder selbst zu Boden stürzen würde.
Roger sprang zurück und riss sich von dem Mann los. Der war sofort wieder auf den Beinen und warf sich auf den Eindringling.
Oder versuchte es zumindest, denn der herbeistürzende Bischof Braumin warf sich ihm zwischen die Beine, sodass er Kopf voran zu Boden ging und unmittelbar vor Roger hart aufschlug. Er wollte sich sofort wieder aufrappeln, doch Roger ballte die Hände zu einer Doppelfaust und schmetterte sie dem Wärter unter Ausnutzung seines vollen Körpergewichts in den Nacken.
Der Mann landete mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und rührte sich nicht mehr.
Roger drängte sich hastig an ihm vorbei und lief zu den verwirrten und verängstigten Gefangenen hinüber, wo er in Bischofs Braumins wartende Arme stolperte.
»Was in aller Welt habt Ihr hier zu schaffen?«, fragte Braumin. »Wir können hier nicht fort, Roger!«
Der hörte kaum zu, ließ sich vor dem Bischof auf die Knie fallen und machte sich an der schweren Fußfessel zu schaffen, die man um Braumins Knöchel gelegt hatte. Ihr Mechanismus war erheblich ausgefeilter als der oben an der Tür, doch im ganzen Bärenreich gab es niemanden, der sich so geschickt darauf verstand, Schlösser zu öffnen, wie Roger Flinkfinger.
Wenige Augenblicke später hatte er Braumin befreit.
»Und was wird aus uns?«, wollte einer der anderen Gefangenen wissen.
Braumin warf Roger einen bittenden Blick zu, doch der schüttelte den Kopf. »Oben wimmelt es nur so von Wachen«, erklärte er dem Bischof. »Es wird schwierig genug werden, Euch hier rauszuschaffen, ich kann euch unmöglich alle zusammen nach draußen bringen.«
»Das sind keine Kriminellen, sondern Männer, die treu zu mir und unseren Zielen stehen«, konterte Braumin. »Ihr könnt unmöglich von mir verlangen, sie hier zurückzulassen.«
Seine Worte trugen ihm das dankbare Gemurmel der anderen ein.
»Ich muss leider darauf bestehen«, erwiderte Roger. »Es geht nicht anders.«
Wieder wurde Gemurmel laut, doch diesmal klang es eher wie ein Murren.
»Wenn sie wirklich so loyal sind, werden sie selbst darauf bestehen, dass ich sie hier zurücklasse«, fuhr Roger fort. »Außerdem geht es hier nicht um Loyalität, Bischof, weder um Eure noch um die dieser Männer. Hier geht es nur um eins: Euch hier rauszuholen und aus der Stadt zu bringen.«
Braumin, das Gesicht dreckverschmiert, sah ihm durchdringend in die Augen.
»Solange Ihr hier in Palmaris bleibt, geltet Ihr, nach allem, was ich gehört habe, als Stimme wider das Volk. Aber ich weiß ganz genau, dass diese Stimme nicht wirklich die Meinung Bischof Braumin Herdes wiedergibt.«
Die Äußerung schien Braumin in seinem Innersten zu treffen. Er sackte nach vorn, während seine Schultern plötzlich unter heftigem Schluchzen zu beben begannen. Roger nahm ihn fest in die Arme und klopfte ihm eine Weile beschwichtigend auf den Rücken, bis er sich wieder so weit gesammelt hatte, dass er Roger ins Gesicht sehen konnte.
»Er hat von mir Besitz ergriffen«, sagte der Bischof leise.
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