Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
auf sich allein gestellt sein. Keine einzige Abtei des südlichen Bärenreiches steht dann noch auf Seiten der Mutterabtei und Fio Bou-raiys. Er hat bereits verloren, noch ehe St. Mere-Abelle überhaupt gefallen ist.«
»Dann meinen Glückwunsch, ehrwürdiger Vater De’Unnero«, sagte Aydrian. »Vielleicht sollten wir eine offizielle Feier zur Bekanntgabe Eurer Amtsübernahme abhalten, ehe wir gegen St. Mere-Abelle ziehen.«
De’Unnero zögerte kurz, dann erklärte er sich nickend einverstanden.
»Nun denn, erzählt mir von Eurer neuen Kirche«, forderte Aydrian ihn auf. »Die endgültige Heiligsprechung Avelyns werdet Ihr wohl kaum bestätigen, nehme ich an.«
»Selbstverständlich nicht.«
»Und, werdet Ihr den Abellikaner-Orden zu seinen klösterlichen Wurzeln zurückführen, wo die sichere Verwahrung der heiligen Edelsteine ausschließlich den Ordensbrüdern oblag und ihre Magie nicht so freimütig irgendwelchen einfachen Bauern angeboten wurde?«
»Selbstverständlich, aber das wisst Ihr ja bereits«, antwortete De’Unnero. »Während Eurer Abwesenheit haben meine Ordensbrüder bereits eine Menge Steine bei den Bürgern von Palmaris eingesammelt – natürlich, wie zwischen uns abgesprochen, gegen eine Entschädigung. Der alte Orden kehrt bereits ins Land zurück und ist auf dem besten Weg, der Kirche wieder zu ihrer einstigen ehrwürdigen Stellung zu verhelfen. Aber das wisst Ihr doch alles längst, warum also fragt Ihr?«
Aydrian starrte den Mönch eindringlich an. »Ich habe Sadye nach Chasewind Manor geschickt«, erklärte er unverblümt. »Und dort wird sie auch bleiben – bei mir.«
De’Unneros Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, er sog hörbar den Atem ein und stand vollkommen reglos, die Hände neben dem Körper zu Fäusten geballt.
»Ich biete an, sie Euch zurückzugeben«, fuhr der junge König fort. »Ohne Einschränkungen. Aber nur, wenn Ihr bereit seid, auf die andere Beute zu verzichten, die Ihr so sehr begehrt.«
»Nehmt Euch in Acht, was Ihr sagt«, warnte De’Unnero.
Aydrian erhob sich aus seinem Sessel und trat ruhig vor den Kamin. Dabei kehrte er dem Mönch ganz bewusst den Rücken zu, um ihm zu zeigen, dass er nicht die geringste Angst vor ihm verspürte. »Ich bin Euch mittlerweile in allen Belangen überlegen, und das wisst Ihr. Ihr wolltet den Abellikaner-Orden, also habe ich ihn Euch überlassen.« Er drehte sich um und sah dem Mönch direkt ins Gesicht. »Euch allein. Da traf es sich doch günstig, dass ich Abt Olin nach Süden entsandt habe, in das Land, das er am meisten begehrte, findet Ihr nicht?«
»Und im Gegenzug nehmt Ihr mir meine Frau?«
»Ich habe mir nichts genommen, was sie mir nicht angeboten hätte«, erwiderte Aydrian.
De’Unnero machte einen Schritt nach vorn, als wollte er sich auf ihn stürzen, hielt dann aber abrupt inne.
Aydrian machte nicht einmal Anstalten, sich zu wehren.
»Lasst sie Königin des Bärenreiches werden«, fuhr Aydrian fort. »Ihr wisst, das ist ihr Wunsch. Und warum auch nicht? Ich habe mein Königreich, ich schenke Euch das Eure. Was für ein Leben würde Sadye denn an Eurer Seite führen? Das einer im Stillen verborgenen Gemahlin, über die man nur hinter vorgehaltener Hand spricht, Opfer des Tratsches jedes zweiten Ordensbruders und womöglich auch der Bauern? Was für ein Leben wäre das für die Frau, die uns beiden so hervorragende Dienste geleistet hat?«
De’Unnero stand da und zitterte am ganzen Leib. Er machte nicht den Eindruck, als hätte er sich wieder beruhigt.
»Letztendlich liegt die Wahl ohnehin nicht bei Euch«, fuhr Aydrian fort. »Übrigens auch nicht bei mir. Die Wahl muss Sadye treffen, und das hat sie getan. Deshalb bitte ich Euch jetzt, sie gehen zu lassen, ohne irgendwelche nachteiligen Folgen für sie. Denkt voller Zärtlichkeit an die gemeinsamen Zeiten, die Euch vergönnt waren, mein Freund, aber seht den Tatsachen ins Auge. Sie passt nicht mehr zu Eurem Amt. Ihr könnt die Kirche unmöglich zu alter Größe führen, wenn Ihr ganz offen eine Frau an Eurer Seite habt! Nehmt Vernunft an, mein Freund. Ihr seid im Begriff, Euch in eine höchst heikle Situation zu bringen. Wollt Ihr alles aufgeben, nur um Sadye zu halten?«
»Und wenn ich es wollte?«, stieß der Mönch hervor.
»Dann würde ich eher Frieden mit Fio Bou-raiy schließen, als einen Narren wie Euch in das Amt des Oberhauptes der Kirche des Bärenreiches zu hieven«, erwiderte Aydrian geradeheraus. »Das ist keine leere Drohung,
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