Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Marcalo De’Unnero. Ihr wollt die Kirche, und ich hoffe, sie Euren Händen anvertrauen zu können. Aber wenn Ihr Euch nicht in erster Linie auf Eure Verantwortung besinnt, werde ich mich hüten, St. Mere-Abelle aus der Hand zu geben.« Während seiner kleinen Ansprache war er langsam auf De’Unnero zugegangen, sodass die beiden Männer sich nun Auge in Auge gegenüberstanden. »Trefft eine kluge Wahl!«
Aydrian spürte deutlich den Hass, den sein Gegenüber so mühsam zu verbergen suchte, ebenso wie die Spannung seiner Arme, denen anzusehen war, dass er Aydrian am liebsten auf der Stelle erwürgt hätte.
Aber Aydrian war sicher, dass der Mönch nicht handgreiflich werden würde, denn Aydrian wusste, wie es tatsächlich in Marcalo De’Unneros Herz aussah.
Seine Braut war St. Mere-Abelle.
14. Ein erster Vorgeschmack
Was Pony an Pireth Vanguard, viele Jahre lang Heimat des Prinzen des Bärenreiches, am meisten erstaunte, war, wie klein die Stadt war. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens in Palmaris und Ursal verbracht, daher war Pireth Vanguard in ihren Augen im Grunde gar nicht so sehr eine Stadt als vielmehr ein Dorf, das eine am oberen Ende einer geschützten Bucht gelegene Burganlage umschloss, von der aus man eine Reihe lang gestreckter Hafenkais und Lagerhäuser überblickte. Im Umland gab es einige Farmen, doch auch die waren, ganz anders als in der Region rings um Palmaris, von eher bescheidener Größe.
Früher einmal hatte Pony bei der Küstenwache gedient und eine nicht unbeträchtliche Zeit in Pireth Tulme verbracht, der südlichsten der drei Festungen – Tulme, Dancard, Vanguard –, die den Golf von Korona sicherten. Vanguard war gewiss größer als dieser Außenposten. Trotzdem hatte Pony sich Pireth Vanguard stets größer vorgestellt, etwa wie Palmaris vielleicht, mit einem mächtigen, unmittelbar am Meer gelegenen, von einem dichten Straßennetz und vielen Häusern umgebenen Schloss. Wie enttäuscht, ja geradezu erschrocken war sie gewesen, als Prinz Midalis ihr erklärte, die Bevölkerung ganz Vanguards, dieses schier endlosen waldbedeckten Gebietes, reiche nicht einmal an die Bevölkerungszahl von Palmaris heran. Unter diesen Voraussetzungen musste sie sich ernsthaft fragen, wie sie für Aydrian, der nahezu die gesamten Südlande kontrollierte, jemals zu einer ernsthaften Bedrohung werden wollten.
Das Zweite, was Pony auffiel, als sie zusammen mit Bradwarden, Prinz Midalis, Kapitän Al’u’met und Abt Haney von St. Belfour nach Pireth Vanguard gelangte, war, dass im Hafen nahezu keine Schiffe lagen. Tatsächlich war das einzige Schiff, das diese Bezeichnung verdiente, Kapitän Al’u’mets Saudi Jacintha, und dieses Schiff war voll bemannt und hatte, für den Fall, dass es rasch auslaufen musste, seine Segel bereits losgebunden.
»Wir müssen darauf vorbereitet sein, beim ersten Wetterumschwung unser Lager sofort abzubrechen und loszumarschieren«, eröffnete ihnen Prinz Midalis, während das Grüppchen es sich in einem der großen Turmzimmer gemütlich machte, von dem aus man den Hafen überblickte.
»Wohin uns Juraviel auch immer schickt«, fügte Bradwarden hinzu.
Das Gespräch entwickelte sich zu der üblichen Debatte über bereits mehrfach durchgesprochene Dinge, sodass Pony, nachdem sie sich bei Abt Haney nach dem Befinden von Meister Dellman erkundigt hatte – einem alten Freund, der ihr, Elbryan und Braumin Herde in den letzten Tagen Markwarts zur Seite gestanden hatte –, sich rasch aus der Diskussion verabschiedete.
»Er ist wohlauf«, hatte Abt Haney geantwortet. »Aber er macht sich Sorgen um seinen alten Freund, Abt Braumin.«
Wie wir alle, dachte Pony. Sie wusste nur zu gut, welch schwerwiegende Konsequenzen eine Rückkehr Marcalo De’Unneros nach Palmaris haben würde. Sie verbannte diese düsteren Gedanken jedoch rasch aus ihrem Kopf und zwang sich, sich ganz auf ihre gegenwärtige Situation zu konzentrieren. Es galt, eine Möglichkeit zu finden, mit größtmöglicher Härte zuzuschlagen, um rasch einige schnelle und entscheidende Erfolge zu erzielen, damit Prinz Midalis beim einfachen Volk des Bärenreiches seine Glaubwürdigkeit zurückgewann. Solange der Eindruck vorherrschte, Aydrian halte sämtliche Fäden in der Hand, war es unmöglich, eine Untergrundbewegung zur Unterstützung des rechtmäßigen Nachfolgers ihres toten Gemahls ins Leben zu rufen.
Das Treffen währte nur kurz, denn solange sie kein genaueres Bild vom Aufenthaltsort ihres Gegners
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