Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
doch!«
„ Diesmal irrst du dich.» Sie verstummte einen Augenblick, um abzuwägen, was sie noch zur Erklärung beitragen könnte. „Vor allem deswegen. Und weil sie lügen, mich belügen. Und wenn du mich tatsächlich kennst, müsstest du wissen, dass mich erstens so etwas beleidigt und zweitens an meiner gesunden Neugier kratzt.«
„ Ach Anke.«
„ Natürlich«, fuhr sie unbeeindruckt fort, „hat sie nichts mit dem toten Mädchen zu tun. Wie sollte sie? Obwohl ...« Anke verstummte.
„ Was obwohl?«
„ Sie kam aus der gleichen Richtung, also vom Viktoriaberg, herunter, genau wie auch Laura.«
„ Und das weißt du bereits?«
„ Oh, ich muss in die Rechtsmedizin.«
Anke öffnete die Tür und drehte sich anschließend mit fragender Miene zu ihm um. Wolf schien ihren Blick zu verstehen.
„ Das Herausragendste, was sie gesagt hat, war Folgendes.« Wolf legte eine wirkungsvolle Pause ein und meinte. „Jetzt zieh nicht gleich so eine ärgerliche Schnute.«
„ Weißt du was, ich will's gar nicht mehr wissen, schieb's dir sonst wo hin.«
Bevor sie die Tür zuschlug, hörte sie noch seine Worte.
„ Sie sagte: Mein Vater war ein Schwein, und es geschah ihm recht, dass er umgebracht wurde.«
Anke hielt inne und starrte einen Moment vor sich hin.
„ Oh«, murmelte sie schließlich, „das ist allerdings krass.«
19
Nur schwer konzentrierte sich Anke auf den Straßenverkehr, konnte das Herausragendste nicht aus ihren Gedanken verbannen. Aber die Tote war jetzt wichtiger, denn endlich hatte sie den Rechtsmediziner Dr. Roland Geiß erreicht.
„ Du bist wirklich lustig. Die ist eben erst rein gekommen«, empfing er sie.
Anke sah sich flink um. Roland war allein.
„ Du sollst sie ja auch nur auf GHB untersuchen, bevor es nicht mehr nachzuweisen ist, du weißt doch, nur bis zu fünf Stunden.« Sie schaute ihn mit geneigtem Kopf an. „Und sie mir grad mal zeigen, wenn‘s geht«, lächelte sie, ehe sie den Mund verzog und mit Daumen und Zeigefinger die Nasenlöcher zusammenkniff. „Dass du das hier aushältst.«
„ Ich riech das Formalin gar nicht mehr. Komm, wir müssen uns beeilen.«
Er schritt eilig zu der Leichenkühlzeile, öffnete eine der acht Luken, zog die Leichenmulde heraus und ließ Anke eine Weile den zerschundenen Körper des Mädchens betrachten.
„ K annst du mir schon was sagen? Ist sie missbraucht worden?«
Was für eine Frage? Das arme Ding ist nackt und in Panik irgendwo weggelaufen.
Roland antwortete mit einem kurzen Nicken und zeigte auf die zerkratzen mit Flecken übersäten Schenkel. Anke schüttelte sich bei dem Anblick unmerklich.
„ Durch was hat sie das alles?«
„ Wir werden es herausfinden.«
Roland sah sich unruhig um. Anke wusste, sie mussten sich ranhalten, bevor einer der Kollegen zurückkam.
„ Ruf mich an, sobald du das Ergebnis hast.«
Roland nickte und schob sie Richtung Tür.
„ Danke, danke und Roland ...«, sie sah ihn flehend an, „und machs noch gestern.«
„ Klar, in Wundern bin ich unübertrefflich gut«, grinste er zurück, „Grüße an Wolf.«
Mehrere Minuten saß sie unschlüssig hinter dem Steuer, bis sie sich entschied, erst einmal in die Redaktion zu fahren. Birgit flatterte gleichzeitig mit ihr herein.
„ Und, was läuft bei den Gerichten?«, fragte Anke.
Birgit winkte ab. „Langweiliger Wirtschaftsprozess etc., aber es gibt Neues in Sachen Engländer.«
Anke blieb stehen. Auch deshalb, weil sie Trenck, dem sie jetzt noch nicht begegnen wollte, durch die Glastür erspäht hatte. Früher, als sie noch komplett freie Mitarbeiterin gewesen war, war er ihr nicht so auf die Nerven gegangen. Jedenfalls glaubte sie das. Doch seitdem sie fest angestellt als Polizeireporterin fungierte, schien er es auf sie abgesehen zu haben. Lachend erwähnte sie es Birgit gegenüber.
„ Der liebt dich, was glaubst du denn, deswegen sucht er ständig deine Nähe.«
Anke grinste .„ Stichwort Engländer«, leitete sie aufs Thema zurück.
Die beiden Frauen standen immer noch vor der Glastür außerhalb des Redaktionsraumes.
„ Es wurde eine zusammengeknüllte Notiz in seiner Westeninnentasche mit der Adresse der Business Bar und einem Tipp über Kokainkauf gefunden. Er scheint auch was gekauft zu haben, denn in seiner Jacketttasche waren noch Restspuren von dem Pulver nachweisbar. Die Polizei vermutet, dass er das Zeug in der Nachtbar erstanden hat, anschließend überfallen wurde, um es ihm samt seinem Barvermögen wieder
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