Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
worüber darf ich Sie als Erstes informieren?«, antwortete sie viel zu ablehnend.
„ Ich stelle fest, Sie haben seit unserem letzten Treffen nichts von Ihrem Liebreiz verloren.«
Ihr Mund verzog sich zu einem flachen Lächeln. Er ist nicht meinetwegen hier. Sie war verblüfft über ihre Enttäuschung. Es gelang ihr perfekt, sie zu verbergen. Hatte sie geglaubt, ihn würde wahrhaftig auch nur ein Minimum ihrer weiblichen Reize erreichen?
Aber was war denn das in der Bibliothek? Ich brauche Zuwendung, bin verhungert. Ach Wolf. Jetzt komm zu dir, Anke. Du willst doch gar nichts von Fabio Koll. Nichts von einem, der seine Mutter verleugnet.
„Beides, wenn Sie möchten«, erklang seine angenehme Stimme.
Beides?
Im ersten Moment wusste Anke vor lauter Rückblende nicht, wo sie stehen geblieben waren. Sie wollte bereits nachhaken, als sie es endlich auf dem Schirm hatte. So fragte sie.
„ Wussten Sie, dass über die noble Business Bar möglicherweise Kokain verkauft wird?«
Fabio grinste erst weltmännisch, ehe ein brüchiges Lachen folgte.
„ Was Sie nicht sagen.«
Anke hörte die Provokation in seiner Bemerkung, aber sie schluckte den Köder nicht.
„ Es gibt Hinweise.«
Mehr würde sie nicht preisgeben. Irgendetwas in ihr hielt sie ab, ihm weiteren Einblick zu verschaffen. Von einer Sekunde zur anderen glaubte sie mit Sicherheit, dass Fabio Koll keine weiße Weste hatte und im nächsten Augenblick war ihre Sicherheit darüber wiederum verschwunden. Aber etwas lag in seinen Augen. Diese Augen schienen auf eine besondere Art ein Eigenleben zu haben, das sich von seinem Gesichtsausdruck abgrenzte. Von jetzt auf gleich konnten sie Farbe, Feuer und Ausdruck wechselten. Eben noch Wärme und Blitzen in Hellgrün, dann Kälte und Schroffheit in Dunkelgrün.
„ Und was das tote Mädchen betrifft ...«, fuhr sie fort.
„ Schlimme Sache«, unterbrach er sie, „ich habe es in den Nachrichten gesehen. Schrecklich.«
Für einen Herzschlag glaubte sie, echtes Bedauern in seinem Gesicht zu sehen. Etwas bedrückte ihn in dieser Sache mehr als er zugeben wollte Anke spürte es wie durch eine Wellenübertragung.
„ Was das tote Mädchen betrifft«, wiederholte sie, „so gibt es auch noch keine sicheren Hinweise, außer, dass Alkohol und Drogen im Körper nachgewiesen wurden.«
„ Dann scheinen Sie ja mehr zu wissen, als durch die Nachrichten ging ...«
Deswegen sitzt du doch hier mit mir, nicht wahr?
„... oder aber die Behörden haben es absichtlich verheimlicht«, beendete er nach einer wirkungsvollen Pause seinen angefangenen Satz, worauf er seine vollen Lippen zu einem abfallenden Lächeln verzog. Anke musterte ihn mehrere Sekunden aufmerksam, ehe sie seine Vermutung mit einem nichtssagenden Schulterzucken bedachte.
„ Wie geht es Laura, erzählen Sie«, forderte sie ihn übergangslos auf. Fabio hielt sich in seinen Gedanken. Schien auf den abrupten Themenwechsel nicht eingehen zu wollen. Doch es war nicht Ankes Art, sich beirren zu lassen.
„ Ist sie jetzt in Therapie?«, fragte sie als Nächstes mit vorgeschützter Unwissenheit. Doch Fabio war anscheinend die Lust aufs Plaudern vergangen. Sein Gesicht erhellte sich kaum merklich, als endlich das Essen aufgetragen wurde. Schweigend nahmen sie die Malzeit ein, lobten zwischendurch die gute Küche und versuchten, sich möglichst nicht anzusehen.
Alles wenig erquickend. Aber ich scheine einen neuralgischen Punkt bei ihm getroffen zu haben. Kokain oder das tote Mädchen? Sie tippte eher auf das Erste. Und als hätte ihr Gedanke eine Brücke geschlagen, fragte er, ob sie nicht doch mehr über den Drogenverdacht wisse.
„ Es geht mir nahe, wenn ich mein Geld in etwas investiere und mir solche Sachen zu Ohren kommen«, rechtfertigte er seinen Wissensdurst.
Anke nickte zwischen zwei Bissen verständnisvoll und kaute gelassen zu Ende.
„ Ich kann nicht mehr sagen. Erst muss ich noch mit Ihrem Partner und der Polizei sprechen.«
Sie dachte an etwas anderes. So einfach wollte sie ihn nicht an Laura vorbei kommen lassen. Angriffslustig hakte sie nach.
„ Ihre Schwester hat viermal versucht, sich umzubringen, und ich frage mich ehrlich, warum sie nicht längst in der Psychiatrie ist.«
Weil sie sich kaum ansahen, bemerkte sie nicht sogleich, wie sich Fabios Gesicht veränderte.
„ Sie fragen zu viel, Frau Journalistin. Woher wissen Sie überhaupt, dass es viermal war.«
Mist. Ich habe mich verplappert. Was jetzt?
„Sie hat es mir selbst gesagt«,
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