Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
nochmals um einiges an, ehe er in einer großflächigen wild gewachsenen Wiese mündete. An ihrem Ende schloss sich der Wald an. Anke trabte in das Wiesengestrüpp, bis sie sich umwandte und ein kraftvolles Wow in die Luft blies. Mit einer Hand schürzte sie ihre Augen ab und bewunderte von hier, weit oberhalb Remagens über den Giebel des letzten Hauses hinweg das grandiose Panorama der unter ihr liegenden Stadt am Rhein. Diese Aussicht vom Viktoriaberg war bestimme eine der schönsten am ganzen Mittelrhein. Soll ich weiter gehen? Ein kurzer Blick auf die Uhr gab ihr den Impuls und sie setzte sich abermals in Bewegung. Jetzt folgte sie einem ausgetretenen Pfad, ohne viel über Sinn und Zweck nachzudenken. Der Wald verdichtete sich. Sie wollte bereits umkehren, als sich unerwartet der Turm der Waldburg mit seinen mehr als dreißig Jahren zerfallenen, hässlich beschmierten Gebäuden aus dem Waldwirrwarr schälte. Mit Schaudern ließ sie die Mauern hinter sich, entdeckte einen neuerlichen Waldweg, dem sie bis zur Absperrung durch eine rot-weiße Schranke folgte. Sie legte beide Hände darauf, als wolle sie gleich eine Rede halte. In dieser Position sah sie sich den weiteren Wegverlauf an. Kurzerhand rief sie im Handy Map von Remagen auf, um zu sehen, wo sie sich und was sich in ihrem weiteren Umfeld befand. Schon während sie auf dieser den Weg verfolgte, den sie nicht zu Ende gegangen war, wurde ihr ein wenig blümerant. Sie hatte doch vorher bereits diese Karte studiert, wieso war ihr das an der Schranke nicht ins Gedächtnis gekommen? Verdammt. Ich würde Auf Kirres rausgekommen. Und Auf Kirres wohnen ... Ach du meine Güte, immer wieder stoße ich auf die Kolls.
Allmählich ordnete sie das Gedankenchaos unter ihren roten Locken. Also, fasste sie zusammen: Laura als auch Petra Busch konnten diesen Weg entlang gelaufen sein, vorbei an der Waldburg. Laura war auf jeden Fall von Kirres gekommen. Und das tote Mädchen? Sicher ist laut Zeugen, dass es am vorletzten Haus des Mätes-Knippchen-Wegs vorbeigekommen war. Es konnte sowohl aus dem linken Haus oberhalb der Stelle, wo das Pärchen geparkt hatte, als auch aus dem letzten Haus mit der blauen Dachverkleidung gekommen sein. Eilig schritt sie prustend bis zu diesem Haus zurück. Ohne lange Vorbehalte sprach sie die Gärtner an, erfuhr, dass die Besitzer längere Zeit im Ausland weilen und Haus gehütet wurde.
„ So eine Art Housesitting, wissen Sie?«
„ Housesitting?«, murmelte Anke, während sie etwas später auf dem Rückweg an dem Flachdachbau oberhalb des Liebesparkplatzes stehen blieb. Ach, sinnlos. Trotzdem sah sie sich alles noch einmal genau an. Schließlich wählte sie Hauff an und berichtete, was sie ausgekundschaftet hatte. Er beteuerte, bereits Leute abgestellt zu haben, die sich am Nachmittag dort umsehen würden, wo sie sich jetzt befand.
„ Anke, wo ich dich schon an der Strippe habe, die Leichen sind grad vom Tisch runter. Kopfschuss. Alle beide. Sieht nach einer regelrechten Hinrichtung aus. Die Drogenfahndung ist schon involviert. Und ...«, Hauff holte Luft, als hätte er länger nicht mehr geatmet, „Münch rief mich eben von der Patho an. Im After eines der Männer wurde ...«, Hauff legte eine gebührende Pause ein.
„ Jetzt rede endlich«, forderte Anke ihn ungeduldig auf. Sie kannte ihn und seinen Spaß daran, die Leute, aber vor allem sie, auf die Folter zu spannen.
„ Nun ja, jedenfalls kurz hinter der Rosette, „zwar kaum leserlich, die Visitenkarte des verstorbenen Engländers aus der Businessbar gefunden.«
23
Im Präsidium stieß Anke gleich auf alle drei. Hauff, Münch und Lars Weimer von der Drogenfahndung. Die Gruppe schien im Begriff, sich aufzulösen, als sie in Hauffs Büro geplatzt kam.
„ Wundervoll, dass ich euch alle so vereint antreffe.« Sie lächelte von einem zum anderen. „Darf ich reihum beginnen.« Sie schaute zu Münch, der anscheinend nicht verstand, was sie meinte und fortfuhr, seine Jacke zuzuknöpfen. „Herr Münch«, musste sie ihn direkt ansprechen, „was gibt es Neues im Fall Petra Busch?«
Münch schüttelte den Kopf. „Einer meiner Männer ist zusammen mit den Bonner Kollegen jetzt dort unterwegs, wo sie laut Kollege Hauff gerade hergekommen sind. Wir müssen abwarten.«
Na toll. Anke wandte sich dem Drogenfahnder zu. Lars sah sie mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln an. Seine randlose Brille gab ihm den dazu passenden stoischen Blick. Ein Kahlkopf mit Brille, der ständig
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