Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
sie von ihrem Spiegelbild soweit überzeugt war, um sich unter Menschen zu trauen. Wolf schien an diesem frühen Abend keine Patienten mehr zu erwarten, denn es blieb ruhig im Haus. Wie ein Dieb schlich sie hinaus. So eine Schmach. Bei dem Gedanken begann sie, innerlich zu schäumen und spürte das Blut in ihr Gesicht strömen. Die brennenden Stiche in ihrer Brust schwächten sich ab. Ihre Stimmung hatte sich augenblicklich gewandelt. Am liebsten würde sie Gift und Galle speien, mit den Füßen stampfen. Sich zur Rachegöttin erheben. Was soll ich überhaupt rächen?
Sie allein hatte sich in die Situation gebracht, Wolf trug keine Schuld. Tritt dich selbst.
Aber ihre verletzten Gefühle kamen bald wieder hervor und tobten weiter. Vor allem, als sie sich vor Augen hielt, dass sie wie ein malträtiertes Wesen auf der Toilette gehockt hatte. Wut und Katzenjammer gaben sich die Hand. Weshalb soll ich mich schämen? Wegen einer Rivalin? Also gewann endgültig die Wut. Sogleich setzte diese sich um und tränkte all ihre Zellen mit glühender Energie. Zurück zum Haus. Ihr Finger blieb auf der Klingel kleben, bis der Türöffner summte. Schnaubend stieß sie die Tür auf. Ab jetzt absolut die Ruhe, Anke.
„ Welch eine verdrießliche Überraschung«, empfing Wolf sie am oberen Treppenabsatz. Hätte sie nicht seine blitzenden Augen hinter den Brillengläsern funkeln sehen, wäre sie bereits auf der ersten Stufe aus der Haut gefahren. So blickte sie mit gespielter schmerzlicher Verwunderung zu ihm hoch.
„ Weißt du eigentlich, dass du mit dieser seltsamen Trennung nicht wieder gut zu machende Verheerungen in meiner Seele anrichtest?« Ehe er in irgendeiner Weise reagieren konnte, fügte sie hinzu .„ Ich muss mit dir reden.«
Wolf verdrehte die Augen, während er ihr die Wohnungstür aufhielt.
„ Wir haben das doch schon mehrmals ...«
„ Nicht über unsere Beziehung. Mir fehlt der scharfsinnige Dialog mit dir.«
Sie ging an ihm vorbei in die vertraute Wohnung.
„ Du scherzt, mein Schatz.«
Schatz?!!
„Ich stecke fest in Querverbindungen«, seufzte Anke.
„ Interessant.«
Anke fiel in einen der Sessel und schöpfte nach Atem, als hätte sie einen Tausendmeterlauf hinter sich.
„ Ich meins ernst, und es reicht, wenn du einfach nur zuhörst?«
„ Nur zuhören?« Wolf verzog die Lippen, „ich dachte, du willst scharfsinnige Dialoge?«
Die bissige Bemerkte ignorierte Anke und auch seinem übertriebenen Stirnkratzen sah sie kommentarlos zu. Nachdem er es sich endlich in seinem Schreibtischsessel auf fast Raumlänge von ihr entfernt bequem gemacht hatte, nickte er brummig. Nicht diese Distanz, mein Lieber. Die Entfernung überbrückte sie, indem sie sich bis zu seinem Schreibtisch vorwagte, ein DIN A 4 Blatt nahm und sich mit den Worten „darf ich«, auf seinen Schoß setzte. Wolf grunzte etwas, worauf sie nicht einging, sondern griff einen Kuli aus dem ovalen Schälchen und begann, inmitten des Blattes einen kleinen Kreis zu ziehen, in dem sie ihren Namen schrieb.
„ Hier bin ich, mitten drin.«
„ Wie immer«, kommentierte Wolf und grinste breit.
Von ihren Namen setzte sie einen Pfeil nach oben und schrieb: Laura, Unfall, von dort zog sie jeweils einen Verbindungsstrich nach rechts: Fabio, Bruder und nach links: Paola, Tochter/Schwester . Dann schrieb sie Klaus Nett und verband ihn außer mit ihrem Namen mit allen anderen.
„ Die oberhalb von mir sind alle miteinander verflochten.«
Sie blickte Wolf an, wartete auf ein Bejahen. Doch er blieb still.
„ Kommst du mit?«, fragte sie auf sein Schweigen.
„ Grade noch.«
„ Okay, also weiter. Links von mir zwei tote Drogendealer, rechts von mir, forsch zog sie die Linie, ein totes GHB- bzw. KO-Tropfen-Mädchen, und von diesem gibt es möglicherweise eine Verbindung zu Laura Koll. Aber das ist noch nicht alles.«
Ein weiteres Mal schrammte der Kuli über das Blatt unterhalb ihres Namens zur BBar, toter Engländer/Klaus Nett.
„ Hier gibt es eine Verbindung hin und zurück zu Fabio , eine weitere wieder hoch zu den ermordeten Dealern und zu Laura.«
„ Viele Querverbindungen, da hast du recht«, gab Wolf zu.
„ Von den Dealern«, Anke führte den Stift quer übers Blatt, „könnte auch direkt ein Pfeil zu Fabio Koll gehen. Das Einzige, was nicht so recht ins Bild passt, ist das tote Mädchen. Also hier ein großes Fragezeichen. Und was, wie es sich hier abzeichnet, auch nicht in Zusammenhang steht, sind Laura und die erschossenen
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