Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Arbeit, Rundruf, Emails, alles, was anstand, ging ihr von der Hand wie in ihren allerbesten Zeiten. Der letzte Anruf galt Hauff.
„ Die Jungs sind gestern von Haus zu Haus gegangen«, informierte er sie, „bis hin zum Letzten auf der Route. Alles negativ.«
„ Waren sie auch weiter oben? Ich meine oberhalb der Waldburg .«
„ Du glaubst doch wohl nicht, dass das Mädchen, wenn sie überhaupt von da oben gekommen sein könnte, so weit bis zum Rhein runter gelaufen sein kann?«
„ Wenn man keine Schmerzen spürt, nichts, und das hat sie sicherlich nicht nach dem zu urteilen, wie sie gefunden wurde. Dann kann man kilometerweit laufen. Dort oben finden sich einige abgelegene Höfe aber auch Häuser« erklärte sie, „zum Beispiel Auf der Neide . Natürlich wäre es von da leichter gewesen, einfach die Straße nach Remagen herunter zu laufen. Aber vielleicht war sie derart verstört und ist in die falsche Richtung gerannt und dann durch den Wald.«
„ Hm«, brummte Hauff, „könntest recht haben, ich gehe es mal an«, meinte er. Es klang allerdings wenig überzeugt.
Minuten später packte sie ihre Tasche, Notebook und einige weitere Utensilien. Danach hatte sie Birgit am Apparat, die Wichtiges zu berichten hatte.
» Hier in der Redaktion liegt seit gestern ein Brief von einem Notar an dich.«
Hab ich was geerbt ? „ Aha, soso, ich bin fast unterwegs.«
Eine Weile betrachtete Anke den Umschlag in ihren Händen. „Von einem Dr. Meuren, Notar und Anwalt.«
„ Nun mach schon auf, ich bin neugierig«, stand Birgit neben ihr.
„ Anke drehte den Umschlag noch einige Male hin und her und grinste vor sich hin. Ob mir wohl gleich das Grinsen vergeht?
Jetzt selbst gespannt ritzte sie den Umschlag auf und hielt eine Aufforderung in den Händen, sich umgehend mit dem Absender in Verbindung zu setzen.
„ Was sagst du dazu?«, staunte Anke und übergab das Papier an Birgit.
„ Anrufen! Sofort! Vielleicht hast du, ohne es gewusst zu haben, einen reichen amerikanischen Onkel, den das Zeitliche gesegnet hat, und der dir jetzt Millionen Dollars vererbt.«
Anke musste bei dem Gedanken lachen, während sie die Nummer des Notars wählte.
„ Nein, das geht nicht«, antwortete Dr. Meuren auf ihre Frage mit tiefer, sympathischer Stimme, „telefonisch kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Sie müssen sich schon selbst herbemühen. Alles Weitere bei mir im Büro, Frau Contoli«, verabschiedete er sich.
Anke fühlte sich gegängelt mit dieser kurzen, klaren Anweisung, schickte sich aber an, brav zu folgen. Sie lachte Birgit zu und wedelte zum Abschied mit dem Brief.
„ Die freudige Erwartung auf das Millionen Dollar Erbe treibt mich auf direktem Weg dorthin.«
Die Mitarbeiterin zog die Tür wieder zu und ließ Anke mit dem Notar allein. Er war gut gebaut, jünger, als seine Stimme hatte vermuten lassen und versprühte durch seine Glatze eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Tennisspieler Andre Agassi. Dr. Meuren wies mit ausgestreckter Hand auf den behaglichen Ledersessel vor seinem geräumigen Schreibtisch, auf dem sich wider Erwarten keine Aktenberge türmten. Anke folgte seiner Aufforderung. Amüsiert sah sie zu, wie Dr. Meuren etwas linkisch seine Körpergröße von mehr als ein Meter neunzig auf seinen komfortablen Schreibtischsessel niederließ.
„ Nun, Frau Contoli«, begann er, „ich habe hier einen Brief für Sie von meinem Mandanten Klaus Nett.«
Anke kippte die Kinnlade herunter.
„ Wie bitte?«
Derart verblüfft hatte sie sich selten erlebt. Dr. Meuren schien etwas von Psychologie zu verstehen, denn er ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, um sich zu erholen. Fast bekam sie den Eindruck, als hätte er ihre Reaktion erwartet.
„ Gut«, sie räusperte sich, „schön, dann geben Sie mal her«, und streckte die Hand aus.
„ Noch ein paar Worte dazu, Frau Contoli.«
Ein Brief von Klaus Nett. Ich platze vor Neugier.
Langsam zog Anke ihre Hand zurück und wartete, bis Dr. Meuren seine Worte an sie richten würde. Unterdessen starrte sie auf den Umschlag neben seiner rechten Hand, dessen Zeigefinger verschwörerisch darauf zeigte.
„ Herr Nett übergab mir vor einigen Tagen diesen Brief mit dem Auftrag, ihn an Sie zu überreichen, wenn ich nach 3 Tagen nichts von ihm gehört habe.«
„ Er hat sich jeden Tag bei Ihnen gemeldet?«, fragte Anke mit steigender Verwunderung.
Dr. Meuren nickte.
„ Das heißt, er glaubt sich in Gefahr«, schaltete Anke rasch.
Dr. Meuren nickte
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