Schattenfall
Seite und hakte sich bei ihm unter. »Schäm dich, Conphas. Ich kann ja verstehen, dass die Herde…« – sie warf einen verärgerten Blick auf die Berater und Beamten ihres Sohnes – »… in meine Worte Skandal hineinliest, aber du?«
»Verhimmel ihn doch nicht immer so, Mutter«, sagte Xerius, während er an Xunnurit herumtastete, als wollte er den Muskeltonus seiner Siegestrophäe prüfen.
Zufällig fing Conphas den Blick von Martemus auf, der geduldig und bisher völlig unbeachtet vor dem Kaiser kniete. Der General nickte bedrohlich.
Da gewann Conphas seine Kaltblütigkeit zurück, die ihn nachdenken und überlegt handeln ließ, wo andere nur hektisch und unüberlegt agierten. Er überblickte die endlos scheinenden Reihen von Infanteristen unter ihm. »Auf Euer Kommando würde jeder Soldat …«
Er ließ seine Großmutter stehen und wandte sich an seinen Onkel. »Es gibt da einiges, was ich wissen muss.«
»Und wenn du es nicht erfährst? Was dann?« Xerius hatte den König der Stämme offenbar vergessen. Oder war sein Interesse an ihm nur geheuchelt gewesen?
Conphas blickte seinem Onkel furchtlos und fest in die geschminkten Augen und lächelte maliziös über die unmögliche Shigeki-Krone auf seinem Kopf. »Dann haben wir demnächst Krieg mit den Männern des Stoßzahns. Weißt du, dass sie randaliert haben, als ich in Momemn einreiten wollte? Zwanzig von meinen Kidruhil haben sie umgebracht!« Er merkte, dass sein Blick zum weichen, gepuderten Hals seines Onkels geglitten war. Vielleicht sollte er eher dorthin stechen?
»Ach, das«, meinte Xerius wegwerfend. »Ein sehr bedauerlicher Zwischenfall. Calmemunis und Tharschilka haben da nicht nur die eigenen Männer aufgehetzt. Aber glaub mir: Die Angelegenheit ist erledigt.«
»Was heißt hier ›erledigt‹?« Zum ersten Mal in seinem Leben war es Conphas egal, was sein Onkel über seinen Tonfall denken mochte.
»Morgen«, erklärte Xerius in befehlendem Ton, »begleiten du und deine Großmutter mich flussaufwärts, um den Transport meines neusten Denkmals zu überwachen. Ich weiß, dass du ein unruhiger Geist bist, Neffe, entscheidungsfreudig und tatkräftig, aber du musst Geduld haben. Wir sind hier nicht am Kiyuth, und die Scylvendi sind wir erst recht nicht… Die Dinge liegen anders als es scheint, Conphas.«
Dem verschlug es die Sprache. Wir sind hier nicht am Kiyuth, und die Scylvendi sind wir erst recht nicht – was sollte das denn heißen?
Als ob die Angelegenheit damit endgültig erledigt wäre, fuhr Xerius fort: »Ist das der General, von dem du so begeistert bist? Martemus, nicht wahr? Wie schön, dass er da ist. Ich konnte nicht genug von deinen Soldaten per Schiff in die Stadt bringen lassen, um den Campus zu füllen, und habe darum die Kaiserliche Garde und ein paar hundert Mann von der Stadtwache aufstellen müssen.«
Conphas war darüber zwar völlig überrascht, antwortete aber dennoch, ohne zu zögern: »Und du hast sie wie meine… wie reguläre Truppen ausstaffiert?«
»Natürlich. Schließlich ist diese Feier ja nicht nur für dich, sondern auch für sie.«
Mit pochendem Herzen kniete Conphas nieder und küsste seinem Onkel das Knie.
Harmonie… süße Harmonie. Das war es, wonach Ikurei Xerius III. zu streben glaubte.
Cememketri, der Hochmeister der Kaiserlichen Ordensleute, hatte ihm versichert, der Kreis sei die reinste geometrische Figur und dem Geist am dienlichsten und heilsamsten. Man dürfe nicht linear leben, hatte er gesagt, sondern solle sich ans Zyklische halten. Schön und gut – doch schnürte man nicht aus einem zum Kreis gebogenen Stück Schnur einen Knoten? Zog der Argwohn nicht Kreise? War nicht der gleichmäßig sich ausbreitende Verdacht das beste Mittel der Intrige? War demnach nicht schon die Vorstellung, es könnte so etwas wie Harmonie geben, ein durch und durch korrumpiertes Konstrukt?
»Wie lange dauert das denn noch, Xerius?«, fragte seine Mutter verärgert von hinten.
Die Sonne sticht ganz schön, du Schlampe, was?
»Nicht mehr lange«, sagte er und blieb zum Fluss gewandt.
Vom Bug seiner großen Galeere blickte Xerius über das braune Wasser des Phayus. Hinter ihm saßen seine Mutter Istriya und sein Neffe Conphas, dem die erstaunliche Vernichtung der Scylvendi-Stämme am Kiyuth noch immer die Wangen glühen ließ. Vorgeblich hatte er die beiden eingeladen, um dem Transport seines neusten Denkmals von den Basaltbrüchen von Osbeus flussabwärts nach Momemn beizuwohnen. Doch wie
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