Schattenfall
stets, wenn die Kaiserliche Familie zusammenkam, steckten weiterreichende Absichten dahinter. Die beiden würden – das war ihm klar – über sein Denkmal spotten, seine Mutter offen, sein Neffe im Stillen. Aber was er ihnen gleich ankündigen wollte, das würden, ja könnten sie gar nicht abtun. Die bloße Erwähnung des Heiligen Kriegs schon würde ihnen Respekt abnötigen.
Eine Zeitlang jedenfalls.
Seit sie in Momemn von der Kaimauer abgelegt hatten, war seine Mutter ständig um ihren Enkel herumscharwenzelt. »Ich habe über zweihundert goldene Votivkerzen für dich angezündet«, sagte sie gerade. »Während deines Feldzugs habe ich jeden Morgen eine angesteckt. Und ich habe den Gilgaöli-Priestern achtunddreißig Hunde gestiftet – mit der Anweisung, sie zu opfern, damit du…«
»Sie hat ihnen sogar einen Löwen in den Rachen geworfen«, rief Xerius über die Schulter. »Den Albino, den Pisathulas von dem widerlichen Händler aus Kutnarmu gekauft hat, stimmt’s, Mutter?«
Zwar sah er sie nicht, doch er spürte, wie ihre wütenden Augen ihn von hinten durchbohrten. »Das sollte eine Überraschung sein, Xerius«, sagte sie süßsauer. »Schon vergessen?«
»Tut mir leid, Mutter. Ich bin ziemlich…«
»Ich hab das Fell vom Kürschner herrichten lassen«, meinte sie zu Conphas, als habe Xerius nichts gesagt. »Ein angemessenes Geschenk für den Löwen vom Kiyuth, was?« Sie lachte – ganz die geistreiche Verschwörerin – leise in sich hinein.
Xerius ballte die Hände um das Geländer aus Mahagoni.
»Ein Löwe!«, rief Conphas. »Und sogar ein Albino! Kein Wunder, dass Gott mit mir war, Großmutter.«
»Eine kleine Bestechung«, sagte sie wegwerfend. »Schließlich solltest du unbedingt wohlbehalten zurückkehren. Die Sorge um dich hat mich fast verrückt gemacht. Aber nachdem du mir deinen Sieg über die Barbaren geschildert hast, komme ich mir dumm vor. Ich habe versucht, die Götter zu bestechen, auf einen der ihren achtzugeben! Jemanden wie dich hat das Reich noch nie gesehen, Conphas. Noch nie!«
»Das bisschen Klugheit, das ich besitze, verdanke ich nur dir, Großmutter.«
Istriya hätte beinahe gekichert. Schmeicheleien – zumal, wenn sie von Conphas kamen – waren seit je ihre Lieblingsdroge.
»Und der Heilige Krieg, lieber Conphas, wird dich zu noch weit Höherem bestimmen als dazu, der größte Oberbefehlshaber in der Geschichte des Kaiserreichs Nansur zu sein.«
Was treibt sie denn da?, überlegte Xerius. Istriya hatte Conphas schon immer angestachelt, aber so aufwieglerisch war ihr Gerede noch nie gewesen. Sie wusste, dass der Sieg über die Scylvendi aus dem Werkzeug Conphas eine Gefahr gemacht hatte – vor allem nach der Farce auf dem Forum am Vortag, als Xerius seinen Neffen nur flüchtig hatte anzusehen brauchen, um zu wissen, dass Skeaös ihn zu Recht gewarnt hatte: In Conphas’ Augen hatte tatsächlich Mord gestanden. Wenn es ihm nicht um den Heiligen Krieg gegangen wäre, hätte Xerius seinen Neffen an Ort und Stelle niedermetzeln lassen.
Istriya war dabei gewesen. Sie wusste das alles und drängte doch weiter und weiter. Wollte sie etwa…
Wollte sie, dass Conphas getötet wurde?
Dem war das Ganze offensichtlich unbehaglich. »Wer so redet, verteilt das Fell des Bären, ehe er erlegt ist, würden meine Männer dazu sagen, Großmutter.«
Aber war es ihm wirklich unangenehm? Oder tat er nur so? Hatten die beiden etwas ausgeheckt, um ihn von ihrer Spur abzubringen? Auf der Suche nach Skeaös ließ Xerius die Augen zum Heck der Galeere wandern, sah ihn bei Arithmeas stehen, rief ihn mit einem wütenden Blick und bereute das sofort. Wozu brauchte er den alten Narren denn? Seine Mutter spielte einfach ihre Spielchen. Wie immer.
Kümmere dich einfach nicht um die beiden.
Wie ein Krebs kam Skeaös angetrippelt, doch Xerius ließ ihn links liegen. Mit tiefen, gleichmäßigen Atemzügen beobachtete er stattdessen den Verkehr auf dem Fluss. Mit träger Anmut zogen Boote vorbei, die meisten schwer beladen. Er sah Schweine- und Rinderhälften, Ölamphoren und Weinfässer, Weizen und Mais, Bruchstein und vermutlich sogar ein Tanzensemble – all das war auf dem breiten Strom Richtung Momemn unterwegs. Es tat gut, hier auf dem Phayus zu sein, dem großen Seil, von dem die weit gespannten Netze Nansurs ihren Ausgang nahmen, die Netze von Handel und Gewerbefleiß, die unter dem Schutz seines Bildes standen.
Das Gold in ihren Händen, dachte er, trägt mein Antlitz.
Er blickte zum
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