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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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als dass er für etwas so Läppisches wie Rache so viel aufs Spiel setzen würde. Als Cemefnketri und Skeaös jedoch der Theorie von Conphas zustimmten, erkannte der Kaiser plötzlich, dass auch er die ganze Zeit schon denselben Argwohn gehegt hatte. Damit war es amtlich: Die Scharlachspitzen hatten sich dem Heiligen Krieg angeschlossen, um einen Kampf, den sie seit langem gegen die Cishaurim führten, zum Abschluss zu bringen.
    Diese Mutmaßung allein war schon tröstlich, denn sie bedeutete, dass die Pläne des Hauses Ikurei und die Absichten der Scharlachspitzen sich erst spät kreuzen würden – zu einem Zeitpunkt nämlich, da es auf diese Interessengegensätze nicht mehr ankäme, weil es für Eleäzaras schwer wäre, seine Drohung wahr zu machen, wenn er und sein Orden vernichtet wären. Was Conphas aber beunruhigte, war die Frage, warum Maithanet die Scharlachspitzen überhaupt um Hilfe angegangen hatte. Sicher: Von allen Orden waren sie es, die die Cishaurim bei einer offenen Auseinandersetzung am ehesten vernichten konnten. Aber die Scharlachspitzen waren – so jedenfalls sah es Conphas – von allen Orden derjenige, mit dessen Beteiligung am Heiligen Krieg am wenigsten zu rechnen gewesen war. Und soweit Conphas wusste, war der Tempelvorsteher an keinen anderen Orden herangetreten, nicht einmal an die Kaiserlichen Ordensleute, die in allen Heiligen Kriegen das traditionelle Bollwerk gegen die Cishaurim gewesen waren. Maithanet hatte sich nur an die Scharlachspitzen gewandt.
    Warum?
    Weil Maithanet von ihrem Krieg gegen die Cishaurim erfahren haben musste! Diese Antwort war freilich noch beunruhigender als die Frage, die ihr vorausgegangen war. Nun, da so gut wie alle kaiserlichen Kundschafter in Sumna tot waren, hatte man in Momemn jeden Anlass, schon aufgrund der sattsam bekannten Gerissenheit Maithanets misstrauisch zu sein. Und nun diese Nachricht – ein Tempelvorsteher, der einen Orden infiltriert hatte! Und nicht irgendeinen Orden: die Scharlachspitzen!
    Zum wiederholten Mal argwöhnte Conphas, nicht das Haus Ikurei, sondern Maithanet sitze im Zentrum des Spinnennetzes namens Heiliger Krieg. Doch er wagte nicht, diese Bedenken seinem Onkel mitzuteilen, denn der neigte dazu, sich, wenn er Angst hatte, noch dümmer aufzuführen als sonst. Stattdessen bedachte Conphas diese Sorgen für sich allein. In den dunklen Stunden vor dem Einschlafen sonnte er sich nun nicht mehr in zukünftigem Ruhm, sondern zerbrach sich über Verwicklungen den Kopf, die er weder ertragen noch beweisen konnte.
    Maithanet. Was für ein Spiel spielte der Tempelvorsteher? Und wer war er eigentlich?
     
     
    Die Nachricht traf Tage danach ein. Der Gemeine Heilige Krieg war restlos vernichtet worden.
    Die Informationen waren zunächst bruchstückhaft. Dringende Botschaften aus Asgilioch meldeten die erschreckenden Berichte von vierzig bis sechzig Mann aus Galeoth, denen es gelungen war, über die Unaras-Berge zurück nach Nansur zu fliehen. Der Gemeine Heilige Krieg war auf den Ebenen von Mengedda komplett aufgerieben worden. Kurz darauf kamen zwei Kuriere aus Kian. Der eine brachte die abgeschlagenen Köpfe von Calmemunis, Tharschilka und einem Dritten, der einmal Kumrezzer gewesen sein mochte, während der andere eine geheime Botschaft von Skauras hatte, die er – den Anweisungen des Sapatishah gemäß – Ikurei Conphas übergab, der einmal seine Geisel und sein Mündel gewesen war. Diese Nachricht lautete nur:
     
    Dem gerechten Zorn unseres Schwerts sind so viele zum Opfer gefallen, dass wir die Leichen eurer götzendienerischen Sippschaft nicht zählen können. Der Einzige Gott – er sei gelobt! Wisset, dass das Haus Ikurei erhört worden ist.
     
    Nachdem er den Kurier entlassen hatte, verbrachte Conphas ein paar Stunden in seinen Gemächern und brütete über die Botschaft nach. Wieder und wieder drängten sich ihm die Sätze der Nachricht ins Bewusstsein.
    …so viele sind gefallen…
    … wir können sie nicht zählen…
    Obwohl Ikurei Conphas erst siebenundzwanzig Jahre alt war, hatte er schon viele mit Leichen übersäte Schlachtfelder gesehen – genug jedenfalls, um die vielen tausend Inrithi nun fast plastisch vor sich zu haben, wie sie längelang und ineinander verkeilt auf den Ebenen von Mengedda lagen und mit fischkalten Augen auf den Boden oder in den endlosen Himmel stierten. Doch es war kein Schuldgefühl, das ihn nun grübeln und auf merkwürdige Weise vielleicht auch trauern ließ, sondern das schiere Ausmaß

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