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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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sagte sie mit trockenem Mund.
    Der Mann grinste. »Das hab ich mir gedacht.«
    Die Münze verschwand. Er zog sich aus und musterte Esmenet schamlos, die eilig drei Kerzen gegen die zunehmende Dämmerung anzündete.
    Ihre Hoffnung, sein Begehren als Waffe gegen ihn kehren zu können, erwies sich als naiv. Im Gegenteil: Esmenet schmolz geradezu dahin.
    Sei ihm zu Willen…
    Er war ein erstklassiger Liebhaber, entzog sich ihr aber mehrmals im letzten Augenblick und torpedierte sie stattdessen mit Fragen.
    »Und was genau hat Inrau über Maithanet gesagt?«
    »Nicht aufhören… bitte.«
    »Was hat er gesagt?«
    Sag die Wahrheit.
    Sie erinnerte sich, sein Gesicht herangezogen und »Küss mich, küss mich…« gekeucht zu haben.
    Sie erinnerte sich an seinen schweren, muskulösen Oberkörper und an das Gefühl, gleich würde es sie zerbröseln.
    Sie erinnerte sich, schweißnass und keuchend mit ihm im Bett gelegen, den Herzschlag in seinem pochenden Glied gespürt und bei jeder seiner Bewegungen noch größere Lust empfunden zu haben.
    Und sie erinnerte sich, wie gierig sie seine Fragen beantwortet hatte. Ich würde dir alles geben! Alles!
    Als er sich zurückzog, fühlte sie sich ausgeplündert. Zitternd und in kalten Schweiß gebadet lag sie mit tauben Gliedern da. Zwei Kerzen waren niedergebrannt, doch das Zimmer lag in grauem Licht. Haben wir etwa die ganze Nacht…
    Er stand neben ihr, und seine gottähnliche Gestalt schimmerte im Licht der letzten Kerze. »Es wird hell«, meinte er, ließ das Goldstück, dessen Funkeln Esmenet in Bann schlug, zwischen den Fingern spielen und warf es schließlich auf ihre feuchte Bauchdecke. Als Esmenet an sich herabsah, schnappte sie panisch nach Luft.
    Sein Samen war schwarz.
    »Pssst«, machte er und suchte seine prächtigen Kleider zusammen. »Sprich mit niemandem darüber. Verstanden?«
    »Verstanden«, brachte sie unter Tränen hervor. Was habe ich getan?
    Sie stierte auf das Goldstück mit dem Profil des Kaisers. Es lag auf ihrer wie mit glitzerndem Pech beschmierten Haut, als stammte es aus einer anderen Welt. Esmenet kam die Galle hoch. Im Zimmer wurde es heller. Er öffnet die Fensterläden. Doch als sie aufsah, war er weg, und sie hörte nur ein dürres Flügelschlagen in der Dämmerung verschwinden.
    Kalte Morgenluft wehte durchs Zimmer und vertrieb den unmenschlichen Gestank. Dabei hat er doch nach Myrrhe geduftet …
    Esmenet lehnte sich aus dem Bett und erbrach auf den Boden.
     
     
    Erst nach einiger Zeit brachte sie es fertig, sich zu waschen, sich anzuziehen und das Zimmer zu verlassen. Als sie auf die Straße stolperte, war ihr klar, dass sie nie mehr würde zurückkehren können. Sie überstand das wüste Gedränge ringsum – der Rotlichtbezirk war in nächster Nähe des stets überfüllten Ecosium-Markts – und fühlte sich von all dem, was es in ihrer Stadt zu sehen und zu hören gab, merkwürdig belebt: Kupferschmiede hämmerten; ein Einäugiger pries mit lauter Stimme die heilende Wirkung seiner Schwefelprodukte; Hunde bellten; ein Mann ohne Beine bettelte Passanten aufdringlich an; ein Verkäufer rief die Namen seiner Wurstsorten in den Trubel; Mauleseltreiber schrien mit rauer Stimme auf ihre Gespanne ein und schlugen sie, bis die Tiere jämmerlich brüllten – ein dichter, unendlicher Geräuschteppich war das. Und dazu kam eine Flut von Gerüchen: Weihrauch, Bratenfleisch, Kot und Qualm – überall stank es nach Qualm.
    Morgenfrische Energie belebte den Markt, doch Esmenet schob sich wie ein Schatten durch die Menge. Jede Faser ihres Körpers schmerzte, und jeder Schritt war eine Qual. Sie umklammerte die Goldmünze und trug sie mal rechts, mal links, um die verschwitzten Handflächen trockenzureiben. Wie betäubt starrte sie auf die Dinge und Menschen ringsum: auf eine gesprungene Amphore, aus der Öl auf die Matte eines Verkäufers leckte; auf junge Sklavenmädchen aus Galeoth, die sich mit gesenktem Blick – geflochtene Getreidekörbe auf dem Kopf- einen Weg durch die Menge bahnten; auf einen ausgezehrten Hund, der wachsam durch das Beindickicht der Vorübergehenden spähte; auf die Silhouette der Junriüma, die sich verschwommen in der Ferne erhob. Und während sie all dies anstierte, dachte sie: Sumna.
    Sie liebte ihre Stadt, doch sie musste fliehen.
    Sollte Inrau tatsächlich ermordet worden sein – so hatte Achamian ihr gesagt –, müsse sie damit rechnen, dass Männer zu ihr kommen und sich nach ihrem Geliebten erkundigen würden.
    »Wenn

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