Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
ihm die Reise nach Momemn versüßen sollten, begann sie, ihn heimlich zu beobachten, und ertappte sich immer öfter bei Tagträumen und gewissen Gedanken…
    Natürlich fand sie vieles an ihm unerträglich: seine abweisende Art zum Beispiel, und dass er grausam sein konnte. Trotz seiner Galanterie verbesserte er sie dauernd und kam ihr dann wie ein Hirte vor, der seinen Stock benutzte, um ihre Gedanken beisammenzuhalten. Doch kaum hatte sie den Ursprung dieser Neigungen verstanden, sah sie darin eher unschöne Eigentümlichkeiten der Aristokratie als persönliche Fehler. Löwen (so dachte sie) töten ihre Beute – sie bringen sie nicht um. Und Adlige stehlen nicht – sie nehmen.
    Sie bemerkte in sich ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte, wenigstens nicht anfangs. Etwas, das sie nie zuvor gespürt hatte und das in seinen Armen stärker war als irgendwo sonst.
    Tage vergingen, ehe sie begriff, was sie empfand.
    Sie fühlte sich sicher.
    Das war keine geringe Offenbarung. Bevor sie ihr Gefühl hatte benennen können, hatte sie befürchtet, sie sei dabei, sich in Sarcellus zu verlieben. Und für kurze Zeit war ihr die Liebe zu Achamian tatsächlich als Lüge erschienen – als Vernarrtheit eines weltfremden Mädchens in einen Mann von Welt. Während sie noch über ihr Behagen in den Armen von Sarcellus staunte, fiel ihr auf, dass sie darüber nachdachte, wie verzweifelt ihre Gefühle für Achamian waren. Das eine schien ihr richtig, das andere falsch. Sollte Liebe sich nicht wie das Richtige anfühlen?
    Nein, hatte sie erkannt. Die Götter straften solche Liebe mit Schrecken.
    Mit toten Töchtern.
    Das aber konnte sie Sarcellus nicht sagen. Er würde es nie verstehen – anders als Achamian.
    »Du liebst ihn«, wiederholte der Tempelritter matt. »Das glaube ich, Esmi, und das nehme ich hin… Aber liebt er dich auch? Kann er dich überhaupt lieben?«
    Sie runzelte die Stirn. »Warum sollte er das nicht können?«
    »Weil er ein Hexer ist. Ein Ordensmann, gütiger Sejenus!«
    »Glaubst du, es interessiert mich, dass er verdammt ist?«
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete er sanft, als wollte er harte Wahrheiten mit Samthandschuhen übermitteln. »Ich sage das, Esmi, weil Ordensmänner nicht lieben können – und Mandati-Jünger am wenigsten.«
    »Schluss damit, Sarcellus. Du hast keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Wirklich?«, fragte er so schmerzerfüllt wie spöttisch. »Welche Rolle spielst du wohl in seinen Wahnvorstellungen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist seine Trosse, Esmi. Er hat an dir angedockt, weil du ihn an die Wirklichkeit bindest. Aber wenn du zu ihm gehst, wenn du dein Leben hinter dir lässt und zu ihm gehst, bist du nur eins von zwei Schiffen auf See. Bald, sehr bald wirst du die Küste aus den Augen verlieren. Sein Wahnsinn wird dich verschlingen. Du wirst beim Aufwachen seine Finger an der Kehle spüren, und der Name eines Menschen, der schon sehr lange tot ist, wird dir im Kopf tönen…«
    »Schluss damit, hab ich gesagt, Sarcellus!«
    Er musterte sie. »Du glaubst ihm, stimmt’s?«
    »Was glaube ich ihm?«
    »Das ganze unsinnige Zeug, von dem die Mandati immer faseln. Das Gerede von den Rathgebern und der Zweiten Apokalypse.«
    Esmenet schürzte die Lippen und schwieg. Woher kam die Scham?
    Er nickte langsam. »Verstehe… Macht nichts. Ich werfe dir das nicht vor. Du hast viel Zeit mit ihm verbracht. Aber es gibt eine letzte Sache, die ich dich zu bedenken bitte.«
    Ihre Augen brannten beim Blinzeln. »Und die wäre?«
    »Dir ist sicher klar, dass die Mitglieder des Mandati-Ordens keine Frauen, nicht einmal Geliebte haben dürfen.«
    Sie fror und hatte das Gefühl, jemand habe ihr ein eiskaltes Eisen aufs Herz gedrückt. Dann räusperte sie sich. »Ja.«
    »Dann weißt du also…« – er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen – »… dass du allerhöchstens…«
    Sie sah ihn hasserfüllt an. »… seine Hure sein kannst, Sarcellus?«
    Und was bin ich für dich?
    Er kniete vor ihr nieder, nahm ihre Hände und zog sanft an ihnen. »Früher oder später wird er zurückgerufen, Esmi. Er wird gezwungen sein, dich zu verlassen.«
    Sie sah weinend ins Feuer.
    »Ich weiß.«
     
     
    Kniend entdeckte der Tempelritter an Esmenets Oberlippe eine Träne, in der das Lagerfeuer als winzige Nachbildung zu glitzern schien.
    Er blinzelte und sah für einen Sekundenbruchteil, wie er sich an ihrem abgeschlagenen Kopf verging.
    Das Wesen namens Sarcellus lächelte.
    »Aber ich möchte

Weitere Kostenlose Bücher