Schattenfall
dich nicht unter Druck setzen«, sagte es. »Entschuldige, Esmi. Du solltest nur… wissen, worauf du dich einlässt. Ich will nicht, dass du leidest.«
»Schon gut«, antwortete sie leise und wich seinem Blick aus, packte seine Hände aber fester.
Er befreite sich aus ihrem Griff und fasste sie sanft an den Knien. Gern hätte er jetzt mit ihr geschlafen, wäre gern dort eingedrungen, wo der Baumeister sich ausgetobt hatte! Diesen Gedanken fand er erniedrigend und erregend zugleich. In einem Ofen zu stochern, den schon der Altvater beschickt hatte!
Er zwang sich auf die Beine, sagte »komm«‘ und wandte sich zum Zelt.
Vor seinem inneren Auge stand eine Szene voll Blut und stöhnendem Entzücken.
»Nein, Sarcellus. Ich muss nachdenken.«
Er zuckte die Achseln und lächelte matt. »Nur zu, wenn du kannst.«
Dann blickte er seine beiden Sklavenmädchen Eritga und Hansa an, befahl ihnen mit einer Handbewegung, Wache zu halten, verließ Esmenet und schritt in sein prächtiges Zelt. Dabei lachte er leise in sich hinein und dachte daran, was er ihr alles antun würde. Er spürte, wie erregt er war – selbst seine Gesichtsmuskeln zitterten in freudiger Erwartung. Er würde ihrem Leib zutiefst poetische Wunden schlagen!
Die Laternen brannten auf kleiner Flamme und tauchten das Arbeitszimmer in ein düsteres Orangerot. Er legte sich auf die Kissen, die um einen niedrigen Tisch angeordnet waren, auf dem lauter Schriftrollen lagen, und strich sich mit dem Handgelenk über den flachen Bauch und weiter abwärts, um sich endlich Erleichterung zu verschaffen.
»Ach ja«, sagte eine leise Stimme. »Das goldene Versprechen der Triebabfuhr.« Dann klang es, als habe jemand durch ein Schilfrohr geatmet. »Ich gehöre zu deinen Schöpfern, und doch staune ich immer wieder, was für ein geniales Werk du bist.«
»Baumeister?«, keuchte das Wesen namens Sarcellus. »Altvater? Hast du es wirklich gewagt? Und wenn jemand dein Mal sieht?«
»Das fällt unter so vielen Malen gar nicht auf.« Mit einem Flügelschlag und einem trockenen Klicken landete eine Krähe auf dem Tisch, deren kahler Menschenkopf sich so auffällig auf dem Vogelhals drehte und wand, als litte das Wesen an einer handfesten Verhaltensstörung. »Jeder, der mich wittert«, erklärte das handflächengroße Gesicht, »wird mein Mal als unwichtig abtun. Die Scharlachspitzen sind überall.«
»Ist es soweit?«, fragte das Wesen namens Sarcellus. »Ist der Augenblick gekommen?«
Der Kahlkopf lächelte, und dieses Lächeln war nicht größer als das Weiße eines Zehennagels. »Bald, Maëngi, sehr bald.«
Der Besucher breitete einen Flügel aus und zog damit einen Strich über die Brust des Ritters. Der ruckte sofort den Kopf zur Seite, und seine Glieder erstarrten. Vom Unterleib bis in die Zehen- und Fingerspitzen liefen ihm brennende Schauer der Verzückung über die Haut.
»Also bleibt sie?«, fragte das Mischwesen. »Sie läuft nicht zu ihm?« Die Flügelspitze fuhr dabei mit dem trägen Streicheln fort.
Das Wesen namens Sarcellus keuchte: »Vorläufig…«
»Hat sie ihre Nacht mit mir erwähnt? Hat sie dir davon erzählt?«
»Nein, nichts.«
»Und doch verhält sie sich… schamlos, als gebe es nichts, worüber sie nicht reden, nichts, was sie nicht teilen würde.«
»Das stimmt, Altvater.«
»Wie ich vermutet hatte…« Das Mischwesen blickte ein wenig finster drein. »Sie ist weit mehr als die einfache Nutte, für die ich sie zunächst gehalten hatte, Maëngi. Sie ist mit Leib und Seele bei der Sache.« Aus der finsteren Miene wurde ein Lächeln. »Am Ende ist sie doch ihre zwölf Talente wert…«
»Soll ich… soll ich sie töten?«, fragte Maëngi erregt. Sein Wunschtraum war endlich zum Greifen nah, und die Flügelspitze bereitete ihm herrlichste Schmerzlust. Bitte, Altvater!
»Nein. Sie läuft nicht zu Drusas Achamian, und das hat etwas zu bedeuten… Ihr Leben ist zu hart gewesen, als dass sie nicht die Treue zu ihrem Geliebten und die Vorteile, die du ihr in Aussicht gestellt hast, gegeneinander abwägen würde. Mag sein, dass sie sich noch als nützlich erweist.«
Der Flügel zog sich zurück und verschwand im pechschwarzen Gefieder. Winzige Lider schlossen sich über Augen, die wie Glasperlen anmuteten, und öffneten sich sogleich wieder.
Maëngi atmete zitternd ein. »Was ist mit Atyersus?«, fragte er heiser. »Hat man dort einen Verdacht?«
»Die Mandati wissen von nichts. Die haben bloß einen Dummkopf auf eine nutzlose Mission
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