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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Anführer Cnaiür von Skiötha dastanden, also ohne den größten Krieger weit und breit.
    Kaum waren sie wieder allein, versuchte der Dunyain erneut, Cnaiür in ein Gespräch zu verwickeln.
    »Du kannst nicht ewig so vor dich hin schweigen«, meinte er.
    Cnaiür musterte seinen Begleiter, dessen Gesicht trotz des blonden Vollbarts selbst gegen den ringsum bewölkten Himmel erschreckend grau wirkte. Kellhus trug den für die Scylvendi typischen ärmellosen Harnisch, und seine bleichen Unterarme kamen aus einem Pelzumhang hervor, den er um die Schultern geworfen hatte. Dieser Pelz war mit Murmeltierschwänzen umsäumt, die je nach Gangart des Pferdes in unterschiedlichem Takt schaukelten. Man hätte ihn für einen Scylvendi halten können, wenn sein Haar nicht blond und seine Arme nicht narbenlos gewesen wären – und wenn er im Ganzen weniger feminin gewirkt hätte.
    »Was willst du wissen?«, fragte Cnaiür so misstrauisch wie widerwillig. Er war froh, sich am tadellosen Scylvendisch des Mannes aus dem Norden zu stören, denn dadurch war er stets auf der Hut. Wenn sein Begleiter ihn nicht mehr irritieren würde, wäre er verloren – das war Cnaiür sonnenklar. Darum weigerte er sich so oft, mit dem verabscheuten Mann zu sprechen, und darum hatten sie in den letzten Tagen kein Wort miteinander gewechselt. In Cnaiürs Situation war die Verlockung, sich an seinen Begleiter zu gewöhnen und sich dadurch einlullen zu lassen, nicht weniger gefährlich als dessen Gerissenheit. Sobald ihm die Gegenwart dieses Mannes nicht mehr befremdlich vorkäme und er sich an der Situation nicht mehr riebe, würde Kellhus ihn – davon war Cnaiür überzeugt – innerhalb kurzer Zeit in nicht vorhersehbarer Weise zu steuern wissen.
    Daheim im Lager hatte Cnaiür seine Frauen als Mittelspersonen eingesetzt, um sich von Kellhus fernzuhalten. Das war nur eine seiner vielen Vorsichtsmaßnahmen gewesen. Er hatte sogar mit einem Messer in der Hand geschlafen, weil er wusste, dass dieser Mann nicht erst seine Ketten entzweibrechen musste, um ihm einen Besuch abzustatten: Er konnte auch in Gestalt eines anderen Menschen – sogar in Gestalt von Anissi – zu ihm kommen, wie Moënghus es vor vielen Jahren getan hatte, als er Skiötha in der Maske seines ältesten Sohns besuchte.
    Jetzt aber gab es niemanden mehr, den Cnaiür zwischen sich und Kellhus hätte schieben können, um sich zu schützen. Er konnte sich nicht mal auf die Stille verlassen, wie er es anfänglich gehofft hatte. Je näher sie dem Kaiserreich kamen, desto notwendiger wurde es, sich eine Strategie zu überlegen. Selbst Wölfe nämlich brauchen einen Plan, um im Land der Hunde zu überleben.
    Jetzt war er ganz allein mit einem Dunyain und konnte sich keine größere Gefahr vorstellen.
    »Warum haben die Reiter dich vorhin eigentlich weiterziehen lassen?«, fragte Kellhus nun.
    Cnaiür warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. Er setzt bei Kleinigkeiten an, um sich unbemerkt mein Vertrauen zu erschleichen.
    »Das ist bei uns so Sitte. Alle Stämme brechen von Zeit zu Zeit auf Beutezug ins Kaiserreich auf.«
    »Und warum?«
    »Aus vielen Gründen – um sich neue Sklaven zu besorgen; um zu plündern; vor allem aber, weil diese Unternehmungen eine Art Gottesdienst sind.«
    »Gottesdienst?«
    »Die Scylvendi sind das Volk des Krieges. Unser Gott ist tot – ermordet von den Nationen, die rings um die Drei Meere leben. Mit den Plünderungen nehmen wir für diese Untat Rache.« Cnaiür spürte, dass er seine Antwort bereute. Oberflächlich gesehen schien sie völlig harmlos, doch zum ersten Mal merkte er, wie viel sie eigentlich über sein Volk und damit auch über ihn verriet. Für diesen Mann gibt es keine Kleinigkeiten. Jedes Detail und jedes Wort wurde in der Hand des Fremden zum Messer.
    »Aber wie«, bohrte der Dunyain nach, »kann man etwas anbeten, das tot ist?«
    Sag nichts, dachte Cnaiür noch, war aber schon dabei.
    »Der Tod ist größer als der Mensch. Man sollte ihn ehren.«
    »Aber der Tod ist…«
    »Ich stelle hier die Fragen!«, unterbrach Cnaiür ihn barsch. »Warum bist du ausgesandt worden, deinen Vater zu töten?«
    »Das«, antwortete Kellhus ironisch, »hättest du fragen sollen, bevor du dich auf mein Angebot eingelassen hast.«
    Cnaiür unterdrückte ein Lächeln, weil er wusste, dass der Dûnyain genau auf solche Reaktionen spekulierte.
    »Warum denn?«, entgegnete er. »Ohne mich hast du keine Chance, die Steppe lebend zu durchqueren. Bis zum

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