Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
vor über dreißig Jahren erwürgten Vater üben dürfen. Jetzt, da die Steppe so gut wie hinter ihnen lag, hatte er das Gefühl, von Anfang an gewusst zu haben, dass diese Vereinbarung eine Farce war. Wie hätte es auch anders sein sollen, da doch Kellhus der Sohn von Moënghus war?
    Und warum hatte er beschlossen, die Berge zu überqueren? Wollte er wirklich herausfinden, ob das Kaiserreich in einen Heiligen Krieg verwickelt war? Oder wollte er die Lüge, der er nur zu gern aufgesessen war, noch ein wenig länger dauern lassen?
    Halt dich an den Sohn… Eines Dunyains hatte er sich also bedienen wollen…
    Was war er nur für ein Narr!
    In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Genauso wenig wie die Wölfe. Vor dem Morgengrauen kroch er in eines der stockdunklen Zelte und kauerte sich nieder. Plötzlich ertastete er den Schädel eines Babys, begann zu weinen, schluchzte in die Kissen, scheuerte sich die Hände an den Zeltstangen wund, rieb den Kopf verstört an der Zeltwand entlang und trommelte mit den Fäusten auf den tückischen Boden unter seinen Füßen.
    Die Wölfe schienen darüber zu lachen, ihn mit widerlichen Beschimpfungen einzudecken und abscheuliche Worte durch die Nacht zu heulen.
    Später küsste er den Boden und zwang sich, ruhiger zu atmen. Er konnte spüren, dass sein Begleiter irgendwo dort draußen war und lauschte. Und er fühlte, wie genau der Dunyain Bescheid wusste.
    Was mochte er sehen?
    Egal. Das Feuer brannte und musste unterhalten werden.
    Notfalls mit Lügen.
    Weil die Flammen – nur die Flammen! – die Wahrheit ans Licht brachten.
    Kaum zu glauben, welche Kälte vom Boden aufstieg. Die Kälte der Steppe. Der weiten, weglosen Steppe.
    Im Morgengrauen verließen sie das ausgestorbene Lager. Da und dort stießen sie im Gras auf verrottetes Leder und Skelette. Keiner von beiden sagte ein Wort.
    Im Osten erhob sich das Gebirge. Immer steiler ging es aufwärts, und sie folgten den gewundenen Hügelkämmen, um die Pferde zu schonen. Gegen Mittag waren sie schon recht weit in den Vorbergen. Wie stets beunruhigte Cnaiür das ungewohnte Gelände, als hätten all die Jahre in der Steppe ihm flache Horizonte und eine riesige Himmelskuppel ins Herz graviert. Hinter diesen Hügeln mochte alles und jeder verborgen sein. Hier musste man erst auf Gipfel steigen, um etwas zu sehen.
    Ein Land für Dunyaine ist das, überlegte er.
    Wie zur Bestätigung dieses düsteren Gedankens waren vom nächsten Höhenzug aus etwa zwanzig Reiter zu erkennen, die ihnen aus der Ferne auf dem Weg entgegenkamen, auf dem sie in die Berge zogen.
    »Das sind auch Scylvendi«, meinte Kellhus.
    »Stimmt. Sie kommen von einer Wallfahrt zurück.« Ob sie etwas über den Heiligen Krieg wussten?
    »Von welchem Stamm sind die?«, erkundigte sich der Dunyain und schürte damit Cnaiürs Misstrauen. Diese Frage war einfach zu… scylvendisch für einen Fremden.
    »Das werden wir schon sehen.«
    Wer die Reiter auch sein mochten – sie waren über das plötzliche Auftauchen von Fremden genauso besorgt wie Cnaiür. Einige kamen im Galopp auf sie zu, während die anderen ein paar Leute zusammenhielten, bei denen es sich anscheinend um Gefangene handelte. Cnaiür musterte die Näherkommenden und hielt nach Zeichen Ausschau, die ihre Stammeszugehörigkeit verraten würden. Er merkte rasch, dass diese Reiter nicht mehr Kinder, sondern schon Männer waren, doch keiner von ihnen trug einen Helm der Kianene. Also waren sie zu jung, um bei Zirkirta gegen die Fanim gekämpft zu haben. Dann sah er, dass die Krieger Streifen weißer Farbe im Haar hatten, also zum Stamm der Munuäti gehörten.
    Erinnerungen an die Schlacht am Kiyuth überfielen ihn. Er sah Tausende von Munuäti über die rauchende Ebene in die Hexenfeuer der Kaiserlichen Ordensleute galoppieren. Diese Krieger hier mussten irgendwie überlebt haben.
    Cnaiür reichte ein kurzer Blick, um zu wissen, dass er ihren Anführer nicht mochte. Selbst aus der Entfernung strahlte er Unruhe und Überheblichkeit aus.
    Das und mehr bemerkte natürlich auch der Dunyain. »Für den sind wir nur ein Vorwand, sich zu beweisen«, meinte er.
    »Stimmt. Und ab jetzt hältst du den Mund.«
    Die Fremden brachten ihre Pferde mit einigem Spektakel vor den beiden zum Stehen. Cnaiür sah, dass sie ein paar frisch gesetzte Swazond an den Armen hatten.
    »Ich bin Panteruth von Mutkius aus dem Stamm der Munuäti«, erklärte der Anführer. »Und wer seid ihr?« Seine sechs Begleiter drängten sich hinter ihm

Weitere Kostenlose Bücher