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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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furchtbar danach sehne, nicht immer nur ernste und ehrenwerte Gespräche zu führen.«
    Der Scylvendi lächelte.

 
     
     
Teil V
     
     
     
    Der Heilige Krieg

15. Kapitel
     
    MOMEMN
     
     
     
    Viele haben sich sehr negativ über all jene geäußert, die sich dem Heiligen Krieg um materieller Vorteile willen angeschlossen haben, und sollte meine bescheidene Schrift den Weg in ihre nutzlosen Bibliotheken finden, werden sie zweifellos auch über mich den Stab brechen. Zugegeben – meine Beweggründe, mich diesem Krieg anzuschließen, waren »niederer Natur«, wenn damit gemeint sein soll, dass ich andere Ziele als die Zerstörung der Heiden und die Wiedereroberung von Shimeh im Sinn hatte. Doch es hat sehr viele wie mich gegeben, und wir alle haben den Heiligen Krieg dadurch ungewollt gefördert, dass wir unseren Anteil an Heiden umgebracht haben. Das Scheitern dieses Kriegs hat nicht an uns gelegen. Habe ich »Scheitern« gesagt? Vielleicht wäre »Verwandlung« ein treffenderes Wort.
     
    Drusas Achamian: Handbuch des Ersten Heiligen Kriegs
     
     
    Glaube ist zur Wahrheit erklärte Leidenschaft. Da aber alle Leidenschaften gleich wahr sind, ist Glaube die Wahrheit von nichts.
     
    Ajencis: Vierte Analyse des Menschengeschlechts

MOMEMN, FRÜHJAHR 4111
     
    »Denk daran«, flüsterte Xinemus Achamian zu, als ein alter Sklave sie ins gewaltige Zelt des Proyas führte. »Sei förmlich. Und vorsichtig… Er empfängt dich nur, damit ich Ruhe gebe.«
    »Wie die Zeiten sich geändert haben, was, Xin?«
    »Du hast zu großen Einfluss auf ihn gehabt, als er noch ein Kind war, Akka, und eine zu tiefe Spur in ihm hinterlassen. Glaubenseiferer verwechseln Intoleranz oft mit Reinheit – vor allem, wenn sie jung sind.«
    Zwar hielt Achamian die Dinge für erheblich komplizierter, ließ die Worte des Xinemus aber auf sich beruhen.
    Sie folgten dem Sklaven nach links, nach rechts und wieder nach links durch einige Gemächer, die durch bestickte Vorhänge voneinander abgeteilt waren. Obwohl Proyas schon vor ein paar Wochen angekommen war, schien seine Kanzlei nur planlos und teilweise erst halb eingerichtet zu sein. Das war beunruhigend, wie Achamian fand, denn normalerweise reagierte Proyas auf Schlamperei ausgesprochen pingelig.
    »Chaos und Krise«, sagte Xinemus zur Erklärung. »So ist das seit seiner Ankunft… Mehr als die Hälfte seiner Mitarbeiter ist unterwegs, um Hühner zu zählen.«
    Achamian wusste, dass diese Redewendung in Conriya fruchtlose Bemühungen umschrieb.
    »Ist die Lage so schlimm?«
    »Schlimmer. Er ist dabei, das Spiel gegen den Kaiser zu verlieren, Akka. Das solltest du im Kopf behalten.«
    »Vielleicht warte ich besser, bis…«, begann Achamian, doch es war zu spät.
    Der alte Sklave blieb am Eingang zu einem viel größeren Gemach stehen und machte eine schwungvolle Handbewegung. Betreten auf eigene Gefahr, schien seine Miene zu sagen.
    Das Gemach war kühler und dämmriger als die übrigen. Räuchergefäße nebelten es mit dem Duft aromatischer Hölzer ein. Rings um ein Feuer in der Mitte lagen Teppiche und verwandelten den Boden in ein gemütliches Durcheinander aus Piktogrammen der Ainoni und stilisierten Darstellungen von Legenden aus Conriya. In seine Kissen gelehnt saß der Prinz auf der anderen Seite der Feuerstelle und musterte die Ankömmlinge. Achamian fiel sofort auf die Knie und verbeugte sich. Dabei nahm er einen Rauchfaden wahr, der von einem winzigen Kohlenstück aufstieg.
    »Steh auf, Ordensmann«, sagte Proyas. »Nimm an meinem Feuer Platz. Ich erwarte nicht, dass du mir das Knie küsst.«
    Der Kronprinz von Conriya trug nur ein leinenes Gewand, das mit den Insignien seiner Dynastie und den Symbolen seiner Nation bestickt war. Ein kurzgeschnittener Bart, wie er bei den jungen Adligen von Conriya inzwischen Mode war, rahmte sein Gesicht ein. Seine Miene war ausdruckslos, als bemühte er sich sehr, nichts von seiner Meinung merken zu lassen. Seine großen Augen wirkten feindselig, aber nicht hasserfüllt.
    Ich erwarte nicht, dass du mir das Knie küsst… Kein sehr verheißungsvoller Beginn.
    Achamian atmete tief ein.
    »Durch diese Audienz, mein Prinz, habt Ihr mich weit mehr geehrt, als ich zu hoffen gewagt hatte.«
    »Vielleicht mehr als du ahnst, Achamian. Noch nie haben mich so viele Menschen mit Anliegen bedrängt.«
    »Anliegen, die den Heiligen Krieg betreffen?«
    »Was sonst?«
    Achamian zuckte innerlich zusammen. Für einen Moment fehlten ihm die Worte. »Stimmt es,

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