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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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wissen vorgegeben habe, ist mir heute gleichgültig. Du musst schon genauer werden.«
    »Ich möchte Euch bloß daran erinnern, mein Prinz, dass wir um so sicherer getäuscht werden, je sicherer wir uns fühlen.«
    Proyas lächelte drohend. »Aha, du möchtest also meinen Glauben in Frage stellen.«
    »Nein – ich möchte nur Euren Glaubens eifer etwas mäßigen.«
    »Mäßigen, soso. Du möchtest, dass ich neue Fragen stelle und beunruhigende ›Möglichkeiten‹ in Erwägung ziehe. Und um welche Möglichkeiten – wenn ich mir die Frage gestatten darf – handelt es sich?« Sein Spott war nun ganz unverhohlen, und er saß. »Hand aufs Herz, Achamian: Ein wie großer Narr bin ich deiner Meinung nach geworden?«
    In diesem Moment begriff Achamian, wie umfassend die Mandati bereits gelähmt waren. Sie waren nicht nur längst zu grotesken Figuren, sondern auch völlig langweilig geworden und in ihrem Tun und Lassen berechenbar wie mechanisches Spielzeug. Wie gewinnt, wer in so einer Grube sitzt, seine Glaubwürdigkeit zurück?
    »Vielleicht ist der Heilige Krieg etwas anderes als er zu sein scheint«, sagte Achamian.
    »Etwas anderes als er scheint?«, rief Proyas mit gespieltem Erstaunen, als wollte er einen Lehrer, der verheerend vom Weg abgekommen war, tadeln. »Für den Kaiser ist der Heilige Krieg ein probates Mittel, sein Reich wiederherzustellen. Für viele Adlige ist er bloß ein wohlfeiles Werkzeug der Eroberung und des Ruhms. Für Eleäzaras und die Scharlachspitzen ist er Medium für irgendwas Obskures. Und für sehr viele ist er bloß ein billiger Weg, ihrem vergeudeten Leben doch noch eine glückliche Wendung zu geben. Der Heilige Krieg ist etwas anderes als er zu sein scheint? Es hat keine Nacht gegeben, Achamian, in der ich nicht gebetet habe, dass du recht hast!«
    Der Kronprinz beugte sich vor, schenkte sich Wein ein, bot Achamian und Xinemus jedoch keinen an.
    »Und beten«, fuhr Proyas fort, »kann man nie genug, stimmt’s? Ständig passiert ein Verrat oder eine kleine Grausamkeit, und immer wieder schreit mein Herz: ›Schweinerei! Die können mich alle mal!‹ Und weißt du, was mich dann rettet, Achamian? Eine Möglichkeit, die mich weitermachen lässt. Was wäre, wenn…?, frage ich mich nämlich. Was wäre, wenn dieser Heilige Krieg wirklich göttlich ist? Also in sich gut und aus sich selbst heraus gerechtfertigt?«
    Proyas hatte bei den letzten Worten so pathetisch ausgeatmet, als wollte er nie wieder Luft holen.
    Was wäre, wenn…
    »Ist das so schwer zu glauben? Ist es so abwegig, dass dieser Heilige Krieg – trotz der Menschen und ihrer unsauberen Absichten – um seiner selbst willen gut sein könnte? Wenn das wirklich unmöglich wäre, Achamian, dann hätte mein Leben so wenig Sinn wie deines…«
    »Nein«, entgegnete der Hexenmeister und konnte seinen Zorn nicht verhehlen, »das ist nicht unmöglich.«
    Die schwermütige Wut in den Augen des Proyas ließ nach und mischte sich mit Bedauern. »Es tut mir leid, alter Lehrer. Ich wollte nicht…« Er unterbrach sich, um wieder einen Schluck Wein zu trinken. »Vielleicht ist jetzt keine so gute Zeit, um deine Möglichkeiten feilzubieten. Ich fürchte, Gott hat mir eine Prüfung auferlegt.«
    »Warum? Was ist passiert?«
    Proyas warf Xinemus einen kurzen Blick zu – einen besorgten Blick.
    »Es hat ein Massaker an der Zivilbevölkerung gegeben. Truppen aus Galeoth haben unter dem Befehl von Coithus Saubon alle Bewohner eines Dorfs bei Pasna ermordet.«
    Pasna war, wie Achamian sich erinnerte, eine kleine, für ihre Olivenhaine berühmte Stadt etwa vierzig Meilen den Phayus hinauf.
    »Weiß Maithanet schon davon?«
    Proyas verzog das Gesicht. »Er wird es bald genug erfahren.«
    Plötzlich begriff Achamian: »Ihr widersetzt Euch ihm. Maithanet hat solche Überfalle verboten!« Er konnte seinen Jubel kaum verbergen. Wenn Proyas sich seinem Tempelvorsteher widersetzt hatte…
    »Dein Benehmen passt mir nicht«, schnauzte der Prinz. »Was geht’s dich an, ob…« Er unterbrach sich, als habe ihn eine Erkenntnis überrascht. »Ist das etwa die Möglichkeit, die ich erwägen soll?«, fragte er so erstaunt wie zornig. »Dass Maithanet…« Galgenhumor ließ ihn plötzlich lachen. »Dass Maithanet mit den Rathgebern unter einer Decke steckt?«
    »Wie gesagt – das wäre eine Möglichkeit«, antwortete der Hexenmeister gelassen.
    »Ich will dich nicht beleidigen, Achamian. Ich kenne die Mission der Mandati und weiß, welch furchtbare Schrecken

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