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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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seine Freunde auf geheimnisvolle Weise verschwunden waren.
    Tu, als würdest du ihn nicht bemerken, sagte sie sich, musste aber ständig an den herrlichen Moment denken, als die Menge sie an seinen muskulösen Bauch gedrängt hatte.
    »Was macht ihr da eigentlich?«, fuhr sie die Mädchen an.
    »Nichts«, gab Eritga verdrossen und mit starkem Akzent zurück.
    Das Geräusch eines Stocks, der schnalzend auf einen Holzbock fährt, ließ die drei zusammenschrecken. Der alte Gewürzkrämer, dessen Haut in allen Farben seiner Ware gesprenkelt schien, musterte Eritga verärgert. Dabei fuchtelte er mit dem Stock herum und hob ihn zur Flachsmarkise.
    »Sie ist deine Herrin!«, rief er.
    Das braungebrannte Mädchen zuckte zurück, und Hansa packte sie an den Schultern.
    Der Gewürzkrämer wandte sich an Esmenet, begann, sich mit der linken Hand das Genick zu massieren, und neigte dabei den Kopf nach rechts, was ein in der Kaufmannskaste übliches Zeichen von Respekt war. Er lächelte ihr beifällig zu.
    Noch nie im Leben war Esmenet so gepflegt, gut ernährt und schick gekleidet gewesen und sah inzwischen – wie sie wusste – bis auf Augen und Hände wie die Frau eines Kleinadligen aus. Sarcellus hatte ihr zahllose Dinge geschenkt: Kleider, Salben, Parfüm – aber keinen Schmuck.
    Ihrem Blick ausweichend, zog Eritga sich mit pampigen Schritten von der Plane zurück und bestätigte so einmal mehr, was Esmenet schon die ganze Zeit wusste: Das Mädchen hielt sich nicht für ihre Dienerin. Genauso wenig übrigens wie Hansa. Zuerst hatte Esmenet gedacht, das geschähe bloß aus Eifersucht. Sie hatte vermutet, die beiden wären in Sarcellus verknallt und würden – wie Sklavenmädchen das nun mal tun – davon träumen, von ihrem Herrn nicht einfach nur beschlafen zu werden. Doch in letzter Zeit argwöhnte Esmenet immer mehr, Sarcellus nähme auf die Einstellung der beiden Sklavinnen ihr gegenüber ziemlichen Einfluss. Sollte sie diesbezüglich noch Zweifel gehabt haben, waren sie ihr diesen Morgen vergangen, als die beiden ihr nicht hatten erlauben wollen, das Lager allein zu verlassen.
    »Eritga!«, rief Esmenet. »Eritga!«
    Die Sklavin funkelte sie böse an und zeigte ihren Hass nun ganz unverhohlen. Sie war so blond, dass es in der Sonne aussah, als hätte sie keine Brauen.
    »Geht nach Hause!«, befahl Esmenet. »Alle beide!«
    Das Mädchen grinste höhnisch und spuckte in den Staub.
    Esmenet machte einen drohenden Schritt auf sie zu. »Schlepp deinen sommersprossigen Hintern nach Hause, Sklavin, sonst…«
    Wieder klatschte der Stock auf den Holzbock. Der Gewürzkrämer kam eilig hinter seinem Stand hervor und gab Eritga eine Ohrfeige. Das Mädchen stürzte mit schrillem Schrei zu Boden, doch der Verkäufer hieb wieder und wieder auf sie ein und beschimpfte sie in einer fremden Sprache. Hansa zog Eritga aus dem Bereich seiner Arme, und die beiden flohen die Gasse hinunter, während der Krämer noch immer schrie und mit dem Stock fuchtelte.
    »Die gehen jetzt nach Hause«, sagte er dann zu Esmenet, strahlte dabei vor Stolz und drückte die rosafarbene Zunge in seine Zahnlücken. »Dämliche Sklavinnen«, fügte er hinzu und spuckte über die linke Schulter.
    Esmenet aber dachte: Endlich allein.
    Sie blinzelte, weil ihr Tränen in die Augen traten. »Vielen Dank«, sagte sie zu dem alten Mann.
    Sein faltiges Gesicht nahm einen milden Ausdruck an. »Was möchtet Ihr kaufen?«, fragte er sanft. »Pfeffer? Knoblauch? Der ist sehr gut. Ich habe eine besondere Methode, ihn den Winter über zu lagern.«
    Seit wie langer Zeit war sie nicht mehr allein gewesen? Seit Sarcellus sie vor Monaten vor der Steinigung bewahrt hatte! Sie schauderte, empfand es plötzlich als schrecklich, ganz auf sich gestellt zu sein, und verbarg ihre Tätowierung mit der rechten Hand.
    Seit dem Tag, da Sarcellus sie gerettet hatte, war sie nicht einen Moment allein gewesen. Jedenfalls nicht richtig. Kaum waren sie im Lager derer angekommen, die sich zum Heiligen Krieg gesammelt hatten, waren Eritga und Hansa allgegenwärtig gewesen. Und Sarcellus selbst hatte es irgendwie einrichten können, einen Großteil seiner Zeit mit ihr zu verbringen. Tatsächlich war er bemerkenswert aufmerksam – jedenfalls im Vergleich zu der Selbstsucht, die sein Leben sonst weitgehend zu bestimmen schien. Er hatte sie oft verwöhnt. So war er beispielsweise mehrmals mit ihr auf den Kamposea-Markt und zum Gottesdienst in den Cmiral gegangen und hatte einen ganzen Nachmittag

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