Schattenfall
mit ihr im Tempel von Xothei verbracht, wo er sich zunächst sehr über ihre Bewunderung der großen Kuppel amüsiert hatte, um dann brav ihren Erläuterungen darüber zu lauschen, wie die Leute aus Cenei ebendiese Kuppel in nicht allzu grauer Vorzeit errichtet hatten.
Sogar den Palastbezirk hatte er mit ihr besichtigt und sie beim Spazieren im kühlen Schatten der Andiamin-Höhen damit geneckt, sie gaffe alles wie eine Provinzlerin an.
Doch er hatte sie nie allein gelassen. Warum?
Befürchtete er etwa, sie würde Achamian suchen? Diese Sorge kam ihr lächerlich vor.
Dann wurde ihr mit einem Schlag ganz kalt:
Sie beobachteten Akka. Siel Und davon musste er erfahren!
Warum verbarg sie sich eigentlich vor ihm? Warum fürchtete sie immer, wenn sie das Lager verließ, sie würde ihm über den Weg laufen? Jedes Mal, wenn sie jemanden sah, der ihm ähnelte, schaute sie sofort weg, weil sie Angst hatte, in dem Fremden sonst partout Achamian erkennen zu wollen. Und wenn der Unbekannte ihr Starren mit einem missmutig fragenden Stirnrunzeln abstrafen würde, brächte sein genervter Blick ihr Herz womöglich zum Stillstand…
»Was möchtet Ihr kaufen?«, wiederholte der Gewürzkrämer, diesmal mit beunruhigter Miene.
Sie sah ihn verständnislos an und dachte: Ich hab kein Geld. Warum war sie dann eigentlich auf den Markt gegangen?
Da fiel ihr der Mann von der Kaiserlichen Garde wieder ein, der sie beobachtete. Sie blickte kurz die Gasse hinunter und sah ihn warten und sie aufmerksam betrachten. Wie schön er ist…
Sie spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte und ihr plötzlich heiß wurde.
Diesmal schaute sie nicht weg.
Was willst du?
Er sah sie aufmerksam an, blickte ihr jenen Sekundenbruchteil länger in die Augen, der aus einem Flirt ein wortloses Angebot zum Rendezvous macht, neigte den Kopf leicht zur Seite und sah erst zum anderen Ende des Marktes hinüber, dann wieder zu ihr zurück.
Sie schaute weg, war nervös und hatte ein Flattern in der Brust.
»Vielen Dank«, murmelte sie dem Gewürzkrämer zu, der angewidert abwinkte, als sie sich umwandte. Benommen ging sie in die Richtung, die der Fremde ihr gewiesen hatte.
Sie konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er ihr durch die Menge folgte, die ihr nur ein verschwommener Menschenschleier schien. Er behielt seinen Abstand bei, doch sie hatte das Gefühl, er drückte seine verschwitzte Brust schon an ihren Rücken, seine schmalen Hüften an ihren Hintern, bewegte sich dabei sanft auf und ab und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie rang nach Atem und ging schneller, als würde sie verfolgt.
Ich will das – genau das!
Inzwischen befanden sie sich zwischen leeren Koppeln. Ringsum roch es nach Vieh, das im Gottesdienst geopfert werden sollte. Die äußeren Bauten des Tempelbezirks ragten vor ihnen auf. Ohne ein Wort zu sagen, fielen sie im Dunkel der anschließenden Gasse übereinander her.
Diesmal roch er nach sonnengebräunter Haut. Sein Kuss war fordernd, ja brutal. Sie schluchzte auf, schob ihm die Zunge tief in den Mund und hatte den Eindruck, seine Zähne wären messerscharf.
»Wunderbar«, stieß er halblaut hervor. »Göttlich!« Dann griff er nach ihrer linken Brust und nestelte mit der anderen Hand an ihrem Kleid herum, um sich an der Innenseite ihrer Schenkel hochzuarbeiten.
»Nein!«, rief sie und drückte ihn weg.
»Was?« Er ließ sich nicht abdrängen, sondern wollte mehr.
Sie wandte das Gesicht ab. »Ich will Geld«, sagte sie schwer atmend und lachte dann künstlich. »Umsonst ist der Tod.«
»Gütiger Sejenus! Wie viel?«
»Zwölf Talente«, keuchte sie. »Silbertalente.«
»Hure«, fauchte er. »Eine Hure bist du!«
»Und zwölf Silbertalente wert.«
Der Mann zögerte. »Einverstanden.«
Er begann, in seiner Börse zu kramen, und sah kurz auf, als sie nervös ihr Kleid zurechtrückte.
»Was ist denn das?«, fragte er schroff. Sie folgte seinem Blick zu ihrem linken Handrücken.
»Nichts.«
»Ach? Ich fürchte, ich habe dieses ›Nichts‹ schon mal gesehen. Das ist eine Art Karikatur der Tätowierung der Gierra-Priesterinnen, stimmt’s? Damit werden in Sumna die Huren gebrandmarkt.«
»Na und?«
Der Mann grinste. »Du bekommst deine zwölf Talente – aber in Kupfer.«
»In Silber«, sagte sie mit unsicherer Stimme.
»Fallobst ist Fallobst – auch wenn es pompös serviert wird.«
»Stimmt«, flüsterte sie und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Wie bitte?«
»Einverstanden! Aber mach schnell!«
Er
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