Schattenfall
abtun würde.
»Du bist vorsichtig«, sagte der Prinz, »und das ist gut so. Ein Heide sollte in einem Heiligen Krieg auf Nummer Sicher gehen. Aber du brauchst mir gegenüber nicht misstrauisch zu sein, mein Freund.«
Der Scylvendi schnaubte auf. »Und warum das?«
Proyas breitete die Arme aus und wies auf das Meer von Zelten, das sich ringsum bis weit in die Ferne erstreckte. »Hast du je so viele Menschen auf einem Haufen gesehen? Der Ruhm der Inrithi ist auf diesen Feldern vereint, Scylvendi. Im Gebiet der Drei Meere ist es noch nie so friedlich gewesen, denn alle Gewalt ist hier versammelt. Und wenn dieses Heer gegen die Fanim zieht, wird dein Kampf am Kiyuth – das versichere ich dir – als bloßes Geplänkel erscheinen.«
»Und wann marschiert es los?«
Proyas zögerte. »Das könnte durchaus von dir abhängen.«
Der Barbar sah ihn verblüfft an.
»Der Heilige Krieg ist lahmgelegt, Scylvendi. Ein Heer – erst recht ein so großes Heer – ist beim Vormarsch auf ausreichende Lebensmittellieferungen angewiesen. Doch entgegen den vor über einem Jahr abgeschlossenen Verträgen verweigert Ikurei Xerius III. uns den nötigen Proviant. Kirchenrechtlich betrachtet kann der Tempelvorsteher vom Kaiser zwar Verpflegung verlangen, nicht aber, dass die Nansur mit uns ziehen.«
»Dann brecht doch ohne sie auf.«
»Das würden wir auch, doch der Tempelvorsteher zögert. Vor einigen Monaten haben sich ein paar Männer des Stoßzahns der Forderung des Kaisers gebeugt, um die nötige Verpflegung zu bekommen…«
»Wie lautet diese Forderung?«
»Einen Vertrag zu unterzeichnen, wonach alle eroberten Gebiete ans Kaiserreich abgetreten werden.«
»Das ist unannehmbar.«
»Nicht für die Hohen Herren, um die es hier geht. Sie hielten sich für unbesiegbar und wollten nicht auf den Rest des Heeres warten, weil sie glaubten, dadurch würden sie nur ihres Ruhms beraubt. Was bedeutet schon eine Unterschrift, wenn man dafür Glanz und Gloria bekommt? So zogen sie los, drangen ins Land der Fanim ein und wurden vollständig vernichtet.«
Der Scylvendi hatte die Hand nachdenklich ans Kinn gelegt, was – wie Achamian fand – für jemanden von so wildem Aussehen eine merkwürdig entwaffnende Geste war. »Ikurei Conphas«, sagte der Häuptling nun entschieden.
Proyas hob anerkennend die Brauen. Selbst Achamian war beeindruckt.
»Lass hören«, sagte der Prinz.
»Euer Tempelvorsteher hat Angst, dass der Heilige Krieg ohne Conphas ganz und gar scheitert. Darum will er die Verpflegung des Heeres vom Kaiser nicht einfordern, denn er fürchtet eine Wiederholung des Geschehens.«
Proyas lächelte bitter. »Stimmt. Und natürlich hat der Kaiser als Gegenleistung dafür, dass Conphas das Heer anführt, die Unterschrift unter den Vertrag verlangt, der alle den Fanim entrissenen Gebiete dem Kaiserreich zuspricht. Es scheint, als könnte Maithanet sein Werkzeug – das Heer des Heiligen Kriegs also – erst anwenden, nachdem er es an Xerius verkauft hat.«
»Nachdem er also euch alle verkauft hat…«
Proyas atmete laut aus. »Täusch dich nicht, Scylvendi – ich bin ein frommer Mann. Ich zweifle nicht am Tempelvorsteher, sondern nur an seiner Einschätzung der jüngsten Ereignisse. Ich bin sicher, der Kaiser blufft: Selbst wenn wir losziehen, ohne den vermaledeiten Vertrag zu unterschreiben, wird er Conphas und seine Truppen schicken, um noch den kleinsten Vorteil aus dem Heiligen Krieg zu schlagen…«
Achamian merkte erstmals, dass Proyas wirklich fürchtete, Maithanet werde nachgeben. Und warum auch nicht? Wenn der Tempelvorsteher schon die Scharlachspitzen akzeptiert hatte, konnte er doch auch den Vertrag des Kaisers akzeptieren…
Proyas fuhr fort: »Ich habe die Hoffnung, dass Maithanet dich als Ersatz für Conphas akzeptiert. Mit dir als Berater kann der Kaiser nicht länger behaupten, unsere Unwissenheit werde uns zum Verhängnis.«
»Ich soll den Oberbefehlshaber Conphas ersetzen?«, fragte der Häuptling, und was ihn dabei am ganzen Leibe erzittern ließ, war – wie Achamian fast sofort erkannte – Lachen.
»Findest du das lustig?«, fragte Proyas verdutzt.
Achamian packte die Gelegenheit am Schopf. »Wegen der Schlacht am Kiyuth«, murmelte er dem Prinzen rasch auf Conriyisch zu. »Denkt an den Hass, den er nach dieser Niederlage auf Conphas empfinden muss.«
»Rache?«, fragte Proyas. »Meinst du, er ist eigentlich darum gekommen? Um sich an Ikurei Conphas zu rächen?«
»Fragt ihn! Und auch danach, wer
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