Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
waren wir wieder zu Hause, wurde die Lage noch schlimmer. Die wenigen Utemot, die die Schlacht gegen die kaiserlichen Truppen überlebt hatten, wurden von unseren Nachbarn im Süden umgebracht. Unsere Herden wurden gestohlen, unsere Frauen und Kinder in Gefangenschaft verschleppt. Meinen Stamm gibt es nicht mehr.«
    »Und?«, schnauzte Proyas. »Sollen jetzt die Inrithi dein Stamm werden? Glaubst du, dass ich dir das abkaufe?«
    Dieser Frage folgte ein Moment klirrenden Schweigens zwischen zwei unbeugsamen Männern.
    »Mein Land hat mich ausgestoßen und mir Stamm und Habe geraubt. Darum schwöre nun auch ich meinem Land ab. Ist das so schwer zu glauben?«
    »Aber warum…«, begann Achamian auf Conriyisch, wurde von Proyas aber mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht. Der Prinz musterte den Barbaren so zermürbend wie Achamian ihn schon andere hatte mustern sehen: als sei sein Urteil der absolute Maßstab. Falls Cnaiür von Skiötha dies unbehaglich war, zeigte er es nicht.
    Proyas atmete vernehmlich aus, als würde er zu einem gewagten und darum gewichtigen Entschluss kommen, und sagte: »Erzähl mir also, Scylvendi, was du über Kian weißt.«
    Achamian wollte schon protestieren, besann sich aber eines Besseren, als er sah, dass Xinemus ihm einen finsteren Blick zuwarf. Fall bloß nicht aus deiner Beraterrolle!, schien ihm die Miene des Marschalls zuzurufen.
    »Viel und wenig zugleich«, antwortete Cnaiür.
    Achamian wusste, dass Proyas solche Antworten hasste. Doch der Scylvendi spielte einfach das gleiche Spiel wie der Prinz. Proyas wollte herausfinden, was der Häuptling über die Fanim wusste, und würde ihm dann seinerseits nur gerade so viel verraten, wie sein Gesprächspartner unbedingt wissen musste. Sonst würde der Mann ihm womöglich nur erzählen, was er hören wollte. Die ausweichende Antwort des Utemot hingegen bedeutete, dass er den Braten gerochen hatte. Und das hieß, dass er ungewöhnlich gerissen war. Achamian musterte die Narben an den Armen des Barbaren und versuchte, seine Swazond auf einen Blick zu zählen – unmöglich.
    Den haben schon viele unterschätzt, dachte er.
    »Was weißt du zum Beispiel darüber, wie die Kianene Krieg führen?«, fragte Proyas nun.
    »Viel.«
    »Wieso?«
    »Vor acht Jahren sind die Kianene – ähnlich wie im letzten Sommer die Nansur – in die Steppe eingedrungen, um unsere Überfälle auf Gedea zu beenden, und wir haben sie an einem Ort namens Zirkirta vernichtet. Die hier…« – er strich mit dem Finger über ein paar Narben beim rechten Handgelenk – »… hab ich mir damals verdient. Eine davon steht für General Hasjinnet, den Sohn von Skauras, dem Sapatishah von Shigek.«
    In seiner Stimme lag kein Stolz. Für ihn schien Krieg etwas zu sein, über das er sprechen konnte wie über jedes andere Ereignis. Achamian vermutete, dass er genauso gut über die Geburt eines Fohlens auf seinen Weidegründen hätte reden können.
    »Du hast den Sohn des Sapatishahs getötet?«
    »Nachdem ich ihn zum Singen gebracht hatte«, sagte Cnaiür.
    Einige Männer aus dem Gefolge des Kronprinzen lachten auf, und obwohl Proyas sich nur ein unnahbares Lächeln erlaubte, sah Achamian, wie sehr er die Worte des Utemot genoss. Zwar waren die Manieren des Scylvendi herzlich ungehobelt, doch er sagte genau das, was Proyas zu hören gehofft hatte.
    Achamian aber war noch immer nicht überzeugt. Woher sollten sie wissen, ob die Utemot wirklich vernichtet worden waren? Und vor allem: Was hatte das damit zu tun, Leib und Leben zu riskieren und quer durch Nansur zu reiten, um sich dem Heiligen Krieg anzuschließen? Achamian musterte unwillkürlich über die linke Schulter des Scylvendi den Norsirai, der Cnaiür begleitete. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. Den Hexenmeister überkam ein Anflug von Kummer und Einsicht, und er dachte unerklärlicherweise: Der Schlüssel liegt bei ihm.
    Doch würde Proyas das begreifen, bevor er die Ankömmlinge unter seine Fittiche nähme? In Conriya wurde Gastfreundschaft ungemein ernst genommen.
    »Dann kennst du also die Taktik der Kianene?«, fragte Proyas.
    »Ja. Schon damals war ich viele Jahre Häuptling. Und ich war Berater des Königs der Stämme.«
    »Kannst du mir ihre Taktik beschreiben?«
    »Das könnte ich schon…«
    Der Kronprinz lächelte, als habe er bei seinem Gegenüber endlich eine Spur gleicher Gesinnung bemerkt. Achamian konnte nur starr vor Sorge zusehen, denn ihm war klar, dass Proyas jede Unterbrechung kurzerhand

Weitere Kostenlose Bücher