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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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mussten die Mandati die Neuigkeit erfahren. Dass ein Anasûrimbor aufgetaucht war, würde Nautzera, Simas und die Übrigen in Aufruhr versetzen. Achamian war klar, dass vor allem Nautzera überzeugt wäre, mit der Ankunft von Kellhus erfüllte sich die Prophezeiung des Celmomas, und die Zweite Apokalypse stünde mithin unmittelbar bevor. Zwar glaubt sich jeder im Mittelpunkt der Welt, doch Menschen wie Nautzera sind überdies überzeugt, nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit laufe perspektivisch auf sie zu. Ich lebe jetzt, denken sie unreflektiert, also muss etwas Entscheidendes geschehen.
    Zu solchen Leuten freilich gehörte Achamian nicht. Er war vernünftig und daher zwangsläufig skeptisch. Die Bibliotheken von Atyersus waren voller Prophezeiungen, denen zufolge das Verhängnis unmittelbar bevorstand, und jede neue Generation war wie ihre Vorgänger überzeugt, das Ende der Welt sei nah. Achamian kannte keinen hartnäckigeren Irrglauben und kaum einen verachtenswerteren Dünkel.
    Das Auftauchen von Anasûrimbor Kellhus musste einfach Zufall sein. In Ermangelung jedes gegenteiligen Beweises sah er sich aus Gründen der Vernunft zu diesem Schluss gezwungen.
    Doch leider konnte er nicht erwarten, dass auch seine Ordensbrüder zu einem so besonnenen Urteil kamen. Nach Jahrhunderten, in denen sie selbst nach kleinsten Brosamen gehungert hatten, würden sie über einen Bissen wie diesen sicher in helle Aufregung geraten. Darum gingen ihm jede Menge Fragen im Kopf herum, und er begann die Antworten immer mehr zu fürchten. Wie würden Nautzera und die anderen seine Botschaften deuten? Was würden sie tun? Und wie rücksichtslos würden sie sich dabei von ihren Ängsten leiten lassen?
    Ich habe ihnen Inrau geopfert … Muss ich ihnen jetzt auch noch Kellhus geben?
    Nein. Er hatte ihnen gesagt, was Inrau zustoßen würde, doch sie hatten nicht auf ihn hören wollen. Sogar sein alter Lehrer Simas hatte ihn verraten. Achamian war – wie sie – im Orden der Mandati. Er träumte – wie sie – Nacht für Nacht von Seswatha. Doch anders als Nautzera und Simas war ihm das Mitgefühl nicht verlorengegangen. So dumm war er nicht. Und wichtiger noch: Er kannte Anasûrimbor Kellhus.
    Oder wusste doch manches von ihm. Vielleicht ja genug.
    Achamian setzte seine Teeschale ab und beugte sich mit auf die Knie gestützten Ellbogen vor. »Was hältst du von unserem Neuankömmling, Xin?«
    »Von dem Scylvendi? Der hat eine schnelle Auffassungsgabe und großen Blutdurst, ist aber ein furchtbarer Flegel. Er lässt sich nicht das Geringste bieten, doch das liegt nur daran, dass ihn jede Kleinigkeit auf die Palme bringt…« Er neigte den Kopf zur Seite und setzte hinzu: »Erzähl ihm aber nicht, dass ich das gesagt habe.«
    Achamian lächelte. »Ich meine den anderen. Den Prinzen von Atrithau.«
    Der Marschall wurde ungewöhnlich ernst. »Willst du meine ehrliche Meinung hören?«, fragte er nach kurzem Zögern.
    Achamian runzelte die Stirn. »Natürlich.«
    »Ich finde, er hat etwas…« – Xinemus zuckte die Achseln – »… Seltsames an sich.«
    »Nämlich?«
    »Na ja, erst hat mich sein Name misstrauisch gemacht. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob…«
    Achamian hob die Hand. »Später.«
    Xinemus atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Etwas an seinem Benehmen ließ Achamians Haut kribbeln. »Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll«, meinte der Marschall schließlich.
    »Oder du fürchtest dich, mir deine Meinung offen zu sagen.«
    Xinemus funkelte Achamian verärgert an. »Du hast einen ganzen Abend mit ihm verbracht. Also sag du mir: Hast du je einen Menschen wie ihn kennengelernt?«
    »Nein«, gab Achamian zu.
    »Und was macht ihn so anders?«
    »Er ist… besser. Besser als die meisten Menschen.«
    »Als die meisten? Oder besser als alle Menschen?«
    Achamian musterte Xinemus. »Er macht dir Angst.«
    »Natürlich. Wie der Scylvendi eigentlich auch.«
    »Aber anders… Sag mal, Xin, was glaubt du, wer Anasûrimbor Kellhus ist?«
    Prophet oder Prophezeiung?
    »Mehr als nur ein Mensch«, sagte Xinemus bestimmt.
    Auf diese Worte folgte ein langes Schweigen, in das nur die Schreie eines Massenauflaufs drangen, der ein gutes Stück entfernt sein musste.
    »Tatsache ist«, wagte Achamian schließlich zu sagen, »dass wir beide nichts wissen…«
    »Was ist denn das jetzt?«, rief Xinemus und sah über Achamians Schulter.
    Der Ordensmann reckte den Hals. »Was denn?«
    Auf den ersten Blick schien es, als näherte sich

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