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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Scylvendisch.
    Cnaiür stand auf und schlug sich den Staub von der Hose. »Bis zum Abgang des Hexenmeisters.«
    Kellhus nickte. »Stimmt – die Scylvendi verachten Hexer.«
    Cnaiür war der Glut nah genug, um ihre trockene Hitze zu spüren. Seit Kellhus ihn in den Bergen überm Abgrund hatte pendeln lassen, hatte er jedes Mal, wenn der Dûnyain in voller Größe neben ihm stand, mit einer merkwürdigen körperlichen Scheu zu kämpfen.
    Mich schüchtert niemand ein.
    »Was willst du von ihm?«, fragte der Häuptling und spuckte in die Glut.
    »Unterricht – das hast du doch gehört.«
    »Das hab ich gehört. Und was willst du wirklich von ihm?«
    Kellhus zuckte die Achseln. »Hast du dich eigentlich mal gefragt, warum mein Vater mich nach Shimeh gerufen hat?«
    »Du hast gesagt, das wüsstest du nicht.« Jedenfalls hast du mir das unterjubeln wollen.
    »Aber nach Shimeh? Warum ausgerechnet nach Shimeh?«
    »Weil er dort lebt.«
    Der Dunyain nickte. »Richtig.«
    Cnaiür konnte nur staunen. Proyas hatte ihm an diesem Abend etwas Interessantes gesagt. Der Utemot hatte den Kronprinzen nach den Scharlachspitzen und nach den Gründen gefragt, warum dieser Orden sich dem Heiligen Krieg angeschlossen hatte, und Proyas hatte – über seine Unkenntnis offenbar sehr überrascht – geantwortet, Shimeh sei doch die Heimat der Cishaurim.
    Etwas stockend fragte Cnaiür nun: »Meinst du, Moënghus gehört zu den Cishaurim?«
    »Er hat mich durch Träume gerufen…«
    Natürlich. Moënghus hatte Hexerei angewandt, um seinen Sohn kommen zu lassen. Hexenwerk! Das hatte Cnaiür sich schon gedacht, als Kellhus die Träume erstmals erwähnt hatte. Warum aber war ihm dann die Verbindung entgangen? Unter den Fanim trieben nur die Cishaurim Hexerei. Moënghus musste einfach zu den Cishaurim gehören. Das wusste er zwar, aber…
    Cnaiür machte ein finsteres Gesicht. »Du hast mir nichts davon gesagt! Warum nicht?«
    »Du hast es nicht wissen wollen…«
    War es wirklich so? War er davor zurückgeschreckt? Die ganze Zeit war Moënghus kaum mehr als ein schattenhaftes Ziel gewesen – schwer erreichbar und doch magisch anziehend wie ein obskures Objekt der Begierde. Und doch hatte er Kellhus nie wirklich über ihn befragt. Warum nicht?
    Es reicht ja, wenn ich weiß, wo er ist.
    Aber das war pure Dummheit! Kindisch! Echten Hunger kann kein Festmahl stillen – das hatten die Geschichtssänger den dickköpfigen jungen Scylvendi immer wieder gepredigt, und genau das hatte er Xunnurit und den anderen Häuptlingen vor der Schlacht am Kiyuth noch mal eingeschärft. Und doch hatte er jetzt, auf der gefährlichsten Wallfahrt seines Lebens…
    Der Dûnyain beobachtete ihn erwartungsvoll und sogar ein wenig traurig. Doch Cnaiür war nicht dumm. Ihm war klar, dass etwas irgendwie Unmenschliches hinter der Fassade dieses allzu menschlich wirkenden Gesichts saß und ihn belauerte.
    Dieser kalt musternde und fordernde Blick, der einen geradezu abzutasten und zu durchleuchten schien…
    Du weißt, wie ich dich sehe, stimmt’s? Du weißt, dass ich dich durch die Erinnerung an deinen Vater hindurch wahrnehme…
    Dann begriff er: Er hatte Kellhus nicht nach Moënghus gefragt, weil das auf Unwissenheit und Bedürftigkeit hingedeutet hätte. Statt einem Dunyain solche Defizite zu zeigen, hätte er seine nackte Kehle genauso gut einem Wolf hinhalten können. Aber letztlich hatte er nach Moënghus wohl deshalb nicht gefragt, weil der in seinem Sohn die ganze Zeit anwesend war.
    Das konnte er natürlich nicht sagen.
    »Ich weiß wenig über die Orden«, erklärte er. »Eines aber weiß ich sicher: Die Mandati verraten ihre magischen Kenntnisse nicht. Niemandem. Wenn du hexen lernen willst, verschwendest du mit diesem Achamian nur deine Zeit.«
    Er hatte geredet, als sei Moënghus gar nicht erwähnt worden, doch der Dûnyain fand es der Mühe nicht wert, Überraschung zu heucheln. Er begriff, dass sie beide im selben Dunkel standen, im selben düsteren Nirgendwo jenseits des Benjuka-Felds.
    »Ich weiß«, gab Kellhus zurück. »Er hat mir von der Gnosis erzählt.«
    Cnaiür trat Staub auf die Kohlen und sah sich das schwarze Streumuster auf der Glut an. Dann ging er in Richtung Zelt.
    »Dreißig Jahre«, rief Kellhus ihm nach. »Moënghus hat dreißig Jahre bei ihnen gelebt. Inzwischen ist er sicher sehr mächtig, und einzeln können wir ihn nicht besiegen. Ich brauche mehr als Hexerei, Cnaiür. Ich brauche eine riesige Menschenmenge.«
    Der Häuptling blieb

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