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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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stehen und sah erneut zum Himmel. »Dann muss es also dieser Heilige Krieg sein, stimmt’s?«
    »Mit deiner Hilfe, Scylvendi. Mit deiner Hilfe.«
    Was Tag scheint, ist Nacht – was Nacht scheint, Tag. Lügen. Nichts als Lügen.
    Cnaiür schritt zwischen kaum sichtbaren Zeltschnüren zum Eingang.
    Zu Serwë.
    Der Kaiser sah seinen alten Berater ein paar Atemzüge lang in schweigender Verblüffung an. Trotz der späten Stunde trug der Mann noch immer die kohlschwarze Seidenrobe seines Standes. Er hatte die Privatgemächer des Xerius gerade erst atemlos betreten, und die Leibsklaven wollten sich schon um die Abendtoilette des Herrschers kümmern.
    »Wiederhole bitte, was du gesagt hast, lieber Skeaös. Ich fürchte nämlich, ich habe mich verhört.«
    Mit gesenktem Blick sagte der Alte: »Proyas hat anscheinend einen Scylvendi gefunden, der schon gegen die Heiden gekämpft und ihnen eine heftige Niederlage beigebracht hat. Diesen Mann hat er nun Maithanet als geeigneten Ersatz für Conphas vorgeschlagen.«
    »Dieser unverschämte, überhebliche Dreckskerl!« Xerius fuchtelte mit den Armen durchs Gewusel noch ganz knabenhafter Sklaven. Ein Junge glitt auf dem Marmorboden aus, fiel der Länge nach hin, schluchzte auf und hielt sich die Hände vors Gesicht. Man hörte Karaffen aufprallen und zersplittern. Xerius trat über den Jungen hinweg und dem alten Skeaös gegenüber. »Hat es je einen habgierigeren Menschen als Proyas gegeben? Ein böser, diebischer Schuft ist das!«
    Skeaös stotterte eine hastige Antwort hervor. »Ein Schuft von einmaliger Habgier, gottgleicher Kaiser. Aber das dürfte unseren göttlichen Plan kaum stören.« Der alte Ratgeber war sehr darauf bedacht, den Blick stets auf den Boden zu richten. Niemand durfte dem Kaiser in die Augen schauen. Das, so dachte Xerius, war der eigentliche Grund, warum diese Dummköpfe ihn für einen Gott hielten. Denn was war Gott schon anderes als ein tyrannischer Schatten im Augenwinkel? Eine Stimme, deren Besitzer man nie zu Gesicht bekam? Die berühmte Stimme aus dem Nichts.
    »Unseren Plan, Skeaös?«
    Dieser Frage folgte eine furchtbare Stille, die nur vom leisen Wimmern des Jungen unterbrochen wurde.
    »Ja, gottgleicher Kaiser… Der Mann ist ein Scylvendi… Ein Scylvendi, der den Heiligen Krieg anführt? Das kann eigentlich nur ein Witz sein.«
    Xerius atmete tief durch. Sein Berater hatte recht, oder? Für den Kronprinzen war das nur eine weitere Möglichkeit gewesen, den Kaiser maßlos zu ärgern – wie er es ähnlich mit den Plünderzügen längs des Phayus gehalten hatte. Und doch war Xerius noch immer beunruhigt… Etwas am Verhalten seines Obersten Beraters kam ihm seltsam vor.
    Xerius schätzte Skeaös weit mehr als das übrige Beraterpack, das in seinen Augen aus aufgeputzten Schoßhündchen bestand. Skeaös besaß die perfekte Verbindung von Unterwürfigkeit und Intelligenz, von Respekt und Verständnis. Doch in letzter Zeit hatte er Stolz gespürt und jene verbotene Gleichsetzung, die im erteilten Rat schon die kaiserliche Anordnung sah.
    Mit großer Ruhe – der Ruhe des Verdachts – betrachtete Xerius die gebrechliche Gestalt seines Gegenübers. ›»Katzen sehen auf den Menschen herab und Hunde zu ihm auf – nur Schweine wagen, ihm direkt ins Auge zu sehen.‹ Hast du dieses Sprichwort schon gehört?«
    »Ja, gottgleicher Kaiser.«
    »Dann tu mal so, als wärst du ein Schwein, Skeaös.«
    Was mochte in der Miene eines Menschen stehen, wenn er in Gottes Antlitz sah? Trotz? Blanke Angst? Was sollte in seiner Miene stehen? Das alte, glattrasierte Gesicht hob sich ganz langsam, blickte dem Kaiser für den Bruchteil einer Sekunde ins Auge und sah dann wieder zu Boden.
    »Du zitterst, Skeaös«, murmelte Xerius. »Das ist gut.«
     
     
    Achamian saß geduldig am kleinen Frühstücksfeuer, nippte an seinem letzten Rest Tee und hörte Xinemus geistesabwesend zu, wie er Iryssas und Dinchases über die am Vormittag zu erledigenden Aufgaben instruierte. Was der Marschall da erzählte, sagte ihm kaum etwas.
    Seit seinem Treffen mit Anasûrimbor Kellhus war Achamian in ein schier zwanghaftes Grübeln verfallen. Wie sehr er es auch versuchte: Er konnte den Prinzen von Atrithau einfach nicht plausibel einordnen. Nicht weniger als siebenmal hatte er den Übermittlungszauber vorbereitet, um Atyersus über seine »Entdeckung« zu informieren. Nicht weniger als siebenmal aber hatte er mitten in der Beschwörung gestockt und sich in Gemurmel verloren.
    Natürlich

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