Schattenfall
der Untersuchung auf dem Spiel steht. Aus irgendeinem Grund war er geneigt, liebenswürdig zu sein.
Der Hexenmeister sah ihn fragend an, besann sich dann darauf, wer ihm gegenüberstand, und schlug die Augen eilig nieder.
»Ich bin Euer Sklave, gottgleicher Kaiser«, murmelte er. »Was soll ich tun?«
Xerius nahm ihn am Arm, war über diese noble Geste – noch dazu einem Mann aus den niedrigen Kasten gegenüber – selbst überrascht und führte ihn zwischen den anderen hindurch zum ausgestreckt auf dem Halbrund liegenden Skeaös.
»Siehst du, Skeaös«, sagte er, »wir haben ausgedehnte Anstrengungen zu deiner Bequemlichkeit unternommen.«
Das alte Gesicht blieb ungerührt, doch die Augen funkelten seltsam intensiv.
»Ein Mandati«, sagte es.
Xerius sah Achamian an, dessen Miene ausdruckslos war. Und dann spürte der Kaiser den Hass, der vom bleichen Körper des Skeaös ausging, als würde der Alte den Hexenmeister vom Mandati-Orden wiedererkennen. Ein Ruck ging durch den Körper des Obersten Beraters, und seine Ketten strafften sich so, dass das Holz knackte.
Der Mandati wich zwei Schritte zurück.
»Was siehst du?«, zischte Xerius. »Ist das Hexerei? Ja?«
»Wer ist dieser Mann?«, fragte Drusas Achamian, und in seiner Stimme lag blankes Entsetzen.
»Mein Oberster Berater… dreißig Jahre lang.«
»Habt Ihr ihn… befragt? Was hat er gesagt?« Der Mandati schrie beinahe. Stand ihm Panik in den Augen?
»Antworte, Mandati!«, rief Xerius. »Geht es hier um Hexerei!?«
»Nein.«
»Du lügst! Das seh ich doch in deinen Augen!«
Achamian sah dem Kaiser direkt ins Gesicht. Dabei blickte er, als bedeute der Versuch, seine Worte zu verstehen, sich auf etwas zu besinnen, das plötzlich ganz banal geworden war.
»Nein«, stammelte er. »Was Ihr in meinen Augen seht, ist Angst … Hier geht es nicht um Hexerei. Allenfalls um eine Hexerei anderer Art – eine, die die Wenigen nicht wahrnehmen können…«
»Wie ich schon gesagt habe, gottgleicher Kaiser«, mischte Skalateas sich von hinten ein. »Die Mysunsai sind immer treu gewesen. Wir würden nichts unternehmen, was…«
»Ruhe!«, schrie Xerius.
Das war überflüssig, denn gerade hatte Skeaös zu brummeln begonnen und damit für Totenstille gesorgt.
»Meta ka peruptis sun rangashra, Chigra, Mandati – Chigraa«, stieß der alte Berater hervor, und seine Stimme war nun bar allen menschlichen Beiklangs. Er wand sich unter seinen Fesseln, und dünne, flache Muskelbewegungen liefen kräuselnd über seinen alten Körper. Ein Bolzen brach aus der Wand.
Xerius und der Hexenmeister wichen im Gleichschritt zurück. »Was redet er da?«, keuchte der Kaiser.
Doch Achamian war wie vom Donner gerührt.
»Die Ketten!«, schrie Kimish.
»Gaenkelti… Conphas!«, rief der Kaiser wie betäubt und stolperte weiter rückwärts.
Der alte Körper schlug auf das hölzerne Halbrund ein wie ein Schwarm ausgehungerter, in eine Menschenhaut eingenähter Aale. Wieder brach ein Bolzen aus der Wand…
Gaenkelti starb als Erster: Sein Genick brach, und als er vornüberfiel, konnte Xerius sein Gesicht träge in den Nacken hängen sehen. Eine Kette erwischte Conphas an der Wange und schleuderte ihn an die Wand gegenüber. Tokush ging wie eine Puppe entzwei. Skeaös?
Doch dann gab es Worte! Brennende Worte, und der Raum erstrahlte in blendendem Licht. Xerius kreischte auf und stolperte. Ein Hitzeschwall rollte über ihn hinweg. Steine barsten, und die Luft zitterte.
Und er konnte den Mandati brüllen hören: »Nein! Verflucht seist du! NEIN!« Dann ertönte ein Jammern, dem nichts ähnelte, was er je gehört hatte. Tausend Wölfe schienen bei lebendigem Leib geröstet zu werden. Dazu erklang das Geräusch von Fleisch, das auf Steine klatscht.
Xerius richtete sich mühsam an einer Wand auf, konnte wegen der Gardisten, die ihn abschirmten, aber nichts erkennen. Die Lichter erloschen, und es schien dunkel, sehr dunkel. Achamian schrie und fluchte noch immer.
»Das reicht, Mandati!«, brüllte Cememketri.
»Aufgeblasener Wichtigtuer! Undankbares Subjekt! Du hast nicht die leiseste Ahnung, was du angerichtet hast!«
»Ich habe den Kaiser gerettet!«
Und Xerius dachte: Ich bin gerettet… Er drängte sich zwischen seinen Gardisten durch und stolperte in die Mitte des Raums. Dort hing Rauch, und es roch nach Gebratenem.
Der Mandati kniete über Skeaös, der schwerste Brandwunden davongetragen hatte, packte ihn an den Schultern und schüttelte seinen schlaff herabhängenden
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