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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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ist schon traktiert worden, aber nur kurz, gottgleicher Kaiser«, antwortete der Inquisitor schlicht. »Wie es dem Protokoll entspricht.« Lag wirklich keine Erregung in seiner Stimme? Kimish war hier der Einzige, dem es völlig egal war, einen Kaiserlichen Berater auf dem Behandlungstisch zu haben. Ihn kümmerte nur sein Handwerk. Die politische Dimension des Skandals und seine schwindelerregenden Auswirkungen bedeuteten ihm nichts – dessen war sich Xerius sicher. Das mochte er an Kimish, auch wenn es ihn mitunter irritierte. Aber immerhin ziemte es sich für einen Inquisitor.
    »Und?«, fragte Xerius heiser. Die ahnende Vorwegnahme jäher Veränderungen schien jedes seiner Gefühle verstärkt zu haben. Mäßiger Verdruss hatte sich zu blanker Wut gesteigert; kleine Verletzungen bereiteten ihm erhebliche Qual.
    »Er ist anders als alle, die ich je unter den Händen hatte, gottgleicher Kaiser.«
    Was sich für Kimish nach des Kaisers Überzeugung nicht ziemte, war seine Vorliebe für dramatische Effekte. Wie ein Geschichtenerzähler würzte er seine Rede mit kurzen Pausen, als hinge die ganze Welt mit Ahhh und Ohhh an seinen Lippen. Den Kern der Sache hütete er eifersüchtig und näherte sich ihm nach den Regeln des literarischen Spannungsaufbaus und nicht nach den Erfordernissen der Situation.
    »Du sollst mir Antworten liefern, Kimish«, fuhr der Kaiser ihn an. »Ich hab doch keine Lust, den Inquisitor zu verhören!«
    Kimish zuckte die Achseln. »Manchmal tut man besser daran, etwas nicht zu beschreiben, sondern es zu demonstrieren«, sagte er und nahm eine kleine Zange vom Werkzeugregal neben dem Foltertisch. »Schaut bitte mal.«
    Er kniete sich hin, nahm einen Fuß des Beraters in die linke Hand und riss ihm mit dem unbeteiligten Gesichtsausdruck des altgedienten Kunsthandwerkers langsam einen Zehennagel aus.
    Nichts. Kein Schrei. Nicht mal ein Zittern des alten Leibs.
    »Nicht menschlich«, keuchte Xerius und wich zurück.
    Die anderen standen wie vom Donner gerührt da. Der Kaiser wandte sich erst an Cememketri, der nur den Kopf schüttelte, dann an Skalateas, der ausdruckslos erklärte: »Hier ist keine Hexerei im Spiel, gottgleicher Kaiser.«
    Xerius fuhr herum und schrie seinen Berater an: »Was bist du für ein Wesen?«
    Das alte Gesicht lächelte. »Mehr, Xerius. Ich bin mehr.« Das war nicht die Stimme von Skeaös, sondern klang eigentümlich gebrochen, als würden viele Stimmen etwa gleichzeitig halblaut im Chor sprechen.
    Xerius hatte das Gefühl, der Boden kreiste unter seinen Füßen, und klammerte sich an Cememketri, um festen Halt zu finden. Der Hochmeister aber schrak unwillkürlich vor dem Chorum zurück, das der Kaiser um den Hals hängen hatte. Xerius sah ihm ins Gesicht. Diese Ordensleute! Er hätte brüllen können vor Wut: dieses geschraubte Auftreten; all das Obskure ihrer Taten und Gelüste! Doch leider verfügten nur sie allein über die nötigen Mittel und Wege…
    »Du lügst«, fuhr er den Hochmeister an. »Das ist garantiert Hexerei! Das spüre ich! Ich spüre das Gift der Hexerei in der Luft! Es stinkt geradezu danach!« Er stieß den erschrockenen Mann zu Boden. »Du hast diesen Sklaven gekauft!«, schrie er und zeigte auf den aschfahl gewordenen Skalateas. »Stimmt’s, Cememketri? Du dreckiger, gotteslästerlicher Hundsfott! Steckst du dahinter? Hast du aus den Kaiserlichen Ordensleuten die Scharlachspitzen des Westens und ihren Kaiser zur Marionette machen wollen, ja?«
    Das Auftauchen von Conphas in der Kerkertür ließ Xerius diese Tirade unvermittelt unterbrechen. Neben dem Kaiserneffen stand der Hexenmeister vom Mandati-Orden. Die beiden Begleiter Cememketris halfen ihrem Hochmeister rasch auf die Beine.
    »Diese Vorwürfe, Onkel«, meinte Conphas vorsichtig, »sind vielleicht ein wenig voreilig.«
    »Vielleicht«, stieß Xerius hervor und strich sein Gewand glatt. »Aber wie sagt deine Großmutter so schön, Conphas? Such den Angreifer zuerst in den eigenen Reihen!« Dann warf er dem stämmigen Mann mit dem akkurat geschnittenen Vollbart, der neben Conphas stand, einen raschen Blick zu und fragte: »Das ist der Mandati?«
    »Ja – Drusas Achamian.«
    Der Mann kniete ohne Umschweife nieder, berührte mit der Stirn den Boden und murmelte: »Gottgleicher Kaiser.«
    »Diese Treffen von Hexern und Herrschern sind unangenehm, was, Mandati?« Seine Sekunden zuvor noch so starke Verlegenheit war vergessen. Vielleicht ist es gut, dachte Xerius, dass dieser Kerl begreift, was bei

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