Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
San Pietro zufrieden.
„Und doch“, fuhr Berthold mit ernster Stimme fort, „muss ich die Wahrheit kennen, um mich zu entscheiden. Und ich sage Euch, dass es mir nicht leichtfällt, einem Mann zu glauben, dessen Wort offensichtlich nicht viel mehr wert ist als ein Windstoß. Wir hatten heute schon einmal über ein Angebot verhandelt. Ihr jedoch habt Euer Wort gebrochen.“
Sarenno di San Pietro verschränkte seelenruhig die Arme vor der Brust und lächelte selbstzufrieden. „Das soll deine erste Lektion gewesen sein, Berthold.“
„Man lehrte mich einst, dass Ehrlichkeit die Tugend sei, die dem Wort eines Mannes erst die Kraft verleiht. Und soll das meine erste Lektion gewesen sein, so lerne ich daraus, dass ich mein Wort auch zukünftig nicht brechen will.“
Der Legat presste die Lippen aufeinander und seine Augen blitzen gefährlich. „Mut hast du, das muss ich dir lassen. Aber reize mich nicht, sonst …“
„Was? Ihr wollt mich wegen eines Widerwortes töten? Mich, den Ihr so lange gesucht und nun endlich in Euren Fängen habt? Dann kann ich nicht so viel wert sein. Dann macht es rasch und quält mich nicht weiter oder aber sagt mir endlich die Wahrheit.“
Di San Pietros schmale Lippen verzerrten sich zu einem Grinsen. „Glaube mir, ich werde nicht einen Moment zögern, dich auszulöschen, wenn du dich nicht fügst. Denn dein Mut zeigt mir auch, dass du nicht weiterleben darfst, wenn du dich gegen die große Sache stellst.“
Der Legat ging zur Tür und schlug mit der Faust dagegen. „He, Wache!“, befahl er scharf, „bringt dem Gefangenen etwas zu essen, aber nur Gutes, und einen Krug Wein herbei! Aber schnell!“
„Ja, Monsignore!“, drang es gedämpft durch die Tür. Dann entfernten sich schlurfende Füße.
„Was ist mit Katharina Kufner geschehen?“, wollte Berthold wissen.
„Sie ist davongeritten. Sie hatte wohl Helfer, die ihre Flucht ermöglichten, aber wir werden sie sicher bald haben. Meine Männer sind ihr auf den Fersen. Und vielleicht hilft dir ihr Leiden auch bei einer Entscheidung. Aber ich will nun mit den Drohungen aufhören, denn du sollst eigentlich selbst und unbefangen entscheiden, wenn du die Wahrheit gehört hast. Auch ist die Wahl, auf meiner Seite zu stehen, nicht das größte Übel, denn Reichtum und Macht versprechen ein erfülltes Leben.“
Es klopfte an der Tür und Sarenno di San Pietro ließ einen Diener hinein, der eine Platte mit Braten und Brot und einen großen Krug Wein mit zwei Bechern auf den Tisch vor Berthold stellte. Dann verließ er wieder die Kammer. Sarenno di San Pietro setzte sich zu Berthold an den Tisch und goss beide Becher voll.
„Iss, Berthold, und trink einen guten Wein aus dem Keller des Burgherren, der trotz seiner Abwesenheit so freundlich war, mir auf seinem Sitz während des Feldzuges gegen den abtrünnigen Diether von Ysenburg das Gastrecht zu gewähren. Iss dich satt, denn du wirst viel erfahren und Kraft benötigen, um alles zu verstehen.“
Der Legat nahm seinen Becher, hob ihn an und nickte Berthold brüderlich zu, bevor er ihn an die Lippen führte. Berthold hatte tatsächlich einen gewaltigen Hunger und der Duft des Bratenfleisches ließ ihm trotz seiner Situation das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er riss sich große Stücke davon ab, die er schmatzend kaute. Er steckte sich noch einen Brocken Brot in den Mund und spülte das Ganze mit Wein hinunter. Sarenno di San Pietro sah ihm dabei ausdruckslos zu, wobei er seinen knochigen Kopf auf die krallenartigen Hände stütze, an denen mehrere viel zu mächtige Ringe aus purem Gold prangten. Der Schatten, den die breite Hutkrempe in sein Gesicht warf, verdeckte es fast ganz, sodass nur die blutleeren, dünnen Lippen zu sehen waren, die die Worte formten und um die gelblichen Zähne tanzten. Obwohl Berthold noch kaute und schluckte, begann der Legat zu sprechen.
„Es war vor langer Zeit, vor fast vierhundert Jahren, als Papst Urban II. von Clermont aus die Christenheit aufforderte, dem unsäglichen Treiben der Ungläubigen im Heiligen Land Einhalt zu gebieten. Er rief zum ersten Kreuzzug auf, um dem byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos zur Hilfe zu eilen, der sich selbst und die gesamte christliche Kirche von den Seldschuken bedroht sah. Viele tapfere Ritter folgten diesem Aufruf und mit vereinten Kräften konnte das Kreuzfahrerheer im Jahre des Herrn 1099 Jerusalem von den Ungläubigen befreien. Diesem Kreuzzug folgten weitere in den kommenden Jahrzehnten, denen
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