Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
der Feuerstelle aus und gab die Pastinaken und die Kräuter hinein.
„Ich denke, dass das Essen genau gut ist, wenn Walther und Petz mit ihrer Arbeit fertig sind“.
„Wo sind sie denn?“, wollte Berthold neugierig wissen.
„Die beiden sind hoch zum Schloss, um dem Schmied zur Hand zu gehen und um Material hinaufzufahren. Das Burgtor muss repariert werden“, erklärte Irmgard.
„Welchen Beruf hat Walther eigentlich? Mein Vater erzählte mir nur, dass er für Graf Philipp von Hanau-Lichtenberg als Baumeister arbeitet.“
„Na, da will es jemand aber ganz genau wissen“, scherzte Irmgard. „Also eigentlich ist Walther Zimmermann, aber als wir damals aus Frankfurt wegmussten, hatte er Streit mit der Handwerksgilde und die hohen Herren haben ihm seinen Meisterbrief entzogen. Damals haben wir dich und deine Eltern auch zum letzten Mal gesehen. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir kamen also eines Abends vor über zehn Jahren hier in Babenhausen an, kurz bevor die Stadttore geschlossen wurden. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Es tobte ein furchtbarer Herbststurm, der reihenweise die Häuser abdeckte, Zäune umriss und sogar einige Menschen mit herumfliegenden Ästen und Ziegeln erschlug. Am nächsten Tag sah es aus, als wäre ein Riese mit seinem Besen durch den Ort und das Schloss gefahren. Alles war beschädigt und es fehlten reichlich Handwerker, die den Schaden wieder hätten richten können. Da kam Walther gerade recht und konnte sich durch Fleiß und Können schnell einen Namen machen. Davon hörte auch Graf Philipp, der sich seinerzeit auf der Burg aufhielt, und beauftragte ihn mit der Reparatur des Zeughauses. Nachdem es nach nur einer Woche wieder hergerichtet war, und zwar besser als zuvor, bot der Graf Walther an, Baumeister bei ihm zu werden. Dass Walther in Frankfurt seinen Meisterbrief verloren hatte, schien ihn nicht weiter zu stören. Graf Philipp ist ein Mann der Tat. Und wie du siehst, es geht uns jetzt wieder ganz gut.“
„Ja, das ist doch wirklich ein schöner Beruf mit sicherem Einkommen. Und vor allem ist man immer …“
Berthold konnte den Satz nicht mehr beenden, denn ihm wurde plötzlich schwindelig. In einem Schwall aus Bier und Galle erbrach er das halbverdaute Brot auf den Küchenboden. Er wand sich in Krämpfen und hatte Schaum vor dem Mund. Erbrochenes und Speichel troffen von seinem Kinn über seine Kleidung. Sein ganzer Mund und der Hals waren taub und schmeckten gallig bitter. So heftig wie bei Franz’ Verbrennung in Langen. Berthold versuchte sich am Tisch festzuhalten, glitt aber ab, riss die Schüssel mit den Gemüseschalen mit sich und landete gekrümmt auf dem Boden, wo er inmitten der Küchenabfälle und des Erbrochenen die Besinnung verlor.
Gleißendes Licht aus dem Zentrum einer Art Tunnel blendete ihn. Zuerst konnte er nichts sehen, doch dann wurden die schemenhaften Umrisse von Menschen sichtbar. Gegen das helle Licht konnte Berthold die Gesichter nicht erkennen, aber er fühlte, wer sie waren: seine Eltern und sein Bruder Robert. Die Tunnelwände stürzten in das helle Licht – und nun konnte er deutlich sehen, was geschah. Seine Familie stand auf einem sandigen Hügel inmitten eines tosenden Flusses, an dessen Ufern die Gischt zu staubfeinen Nebelwolken zerstob und giftiggrün gegen die Böschung brandete. Diese war mit verdorrten, blütenlosen, ginsterartigen Dornengewächsen überwuchert. Seine Eltern hielten sich und Robert in Panik umklammert und schrien Bertholds Namen lautlos gegen die tosenden Fluten an. Sie blickten sich suchend und nervös um, so als erwarteten sie eine Gefahr, aber wussten nicht aus welcher Richtung. Berthold spürte deutlich ihre Angst.
Plötzlich wurde der Himmel in ein blutrotes Farbenspiel getaucht. Dunkle, schwarzviolette Wolken umgaben einen vollen, blutigroten Mond und wurden immer wieder von gleißenden Blitzen zerschnitten. Brüllend rollte der Donner. Dann war es plötzlich still, so als wäre Bertholds Trommelfell zerrissen.
Stille. Die Eltern und Robert blickten mit angsterfüllten Augen nach links und kauerten sich auf dem Boden zusammen. Etwas Böses raste auf sie zu. Berthold versuchte zu erkennen, was dort vor sich ging. Doch so sehr er sich auch bemühte, nach links zu schauen, er konnte aus den Augenwinkeln den linken Rand seines Sichtfeldes nur erahnen. Sein Kopf war starr und wie gelähmt und er als stummer, verzweifelter Zeuge dazu verurteilt, dem Geschehen beizuwohnen, ohne etwas tun zu können. Nun
Weitere Kostenlose Bücher