Schattenfeuer
Entwicklungsarbeiten nicht mehr ungestört fortgesetzt werden.«
»Genau. Du erbst die größten Anteile Geneplans, und des halb glaubt die Regierung möglicherweise, sie könne dich zur Zusammenarbeit überreden, zum Nutzen des Staates und zu deinem eigenen Vorteil.«
Rachael schüttelte den Kopf. »Nein, unmöglich. In dieser Hinsicht bin ich zu keinen Kompromissen bereit. Wenn es sich mit Hilfe der Gentechnik tatsächlich bewerkstelligen ließe, die menschliche Lebenserwartung bedeutend zu erhöhen und das individuelle Heilungspotential zu steigern, sollten die Forschungsarbeiten veröffentlicht werden, so daß alle in den Genuß einer entsprechenden Behandlung kommen könnten. Es ist unmoralisch, sie auf einige wenige zu beschränken.«
»Ich dachte mir schon, daß du es so siehst«, erwiderte Ben und lenkte den Ford durch eine scharfe Rechtskurve.
»Außerdem könnte mich nichts in der Welt dazu bringen, die Forschungsarbeiten des Wildcard-Projekts in der bisherigen Richtung weiterzuführen. Ich spüre ganz deutlich, daß die Wissenschaftler den falschen Weg wählten.«
Ben nickte.
»Zugegeben: Ich weiß nur wenig von Genetik. Aber ich spüre, daß sich Eric und die anderen auf etwas sehr Gefährliches eingelassen haben. Denk an die Mäuse, von denen ich dir erzählte. Und... an das Blut im Kofferraum des Wagens, den wir in der Garage der Villa fanden.«
Ben erinnerte sich daran -einer der Gründe, warum er ein Gewehr gekauft hatte.
»Wenn ich die Leitung von Geneplan übernähme«, sagte Rachael, »könnte ich mich durchaus dazu bereitfinden, die Langlebigkeitsforschungen fortzusetzen. Aber ich würde darauf bestehen, das Wildcard-Projekt fallenzulassen und ganz von vorn zu beginnen.«
Ben nickte erneut. »Ich kenne deine Einstellung, und vermutlich ist sie auch der Regierung nicht unbekannt. Daher bezweifle ich, ob das Pentagon nur versuchen möchte, dich zur Kooperation zu bewegen. Die Leute, die die Fahndung nach uns veranlaßt haben... Ich bin sicher, sie wissen alles über dich. Als Erics Ehefrau haben sie bestimmt auch Informationen über dich gesammelt, und deshalb muß ihnen klarsein, daß du dich nicht bestechen läßt, auch nicht mit Drohungen eingeschüchtert werden kannst. Aus diesem Grund haben sie vermutlich ganz etwas anderes vor.«
»Es ist meine katholische Erziehung«, sagte Rachael mit einem Hauch von Ironie. »Ich komme aus einer sehr religiösen
Familie.«
Ben hob überrascht die Brauen.
»Meine Eltern schickten mich auf eine Mädchenschule, die von Nonnen geleitet wurde«, fuhr Rachael fort. »Schon nach kurzer Zeit verabscheute ich die endlosen Messen, die Demütigung der Beichte, bei der ich meine so trivialen Sünden offenbaren mußte. Aber ich nehme an, jene Zeit hatte auch ihre Vorteile, gab meinem Charakter den richtigen Schliff.«
Ben wandte den Blick kurz von der Straße ab und musterte die junge Frau an seiner Seite. Die sich rasch verändernden Schattenmuster der Bäume machten es ihm unmöglich, ihren Gesichtsausdruck zu deuten.
Rachael seufzte: »Wie dem auch sei: Wenn die Regierung weiß, daß sie mich nicht dazu zwingen kann, gegen mein Ge wissen zu handeln... Warum läßt sie dann unter irgendeinem Vorwand nach uns fahnden?«
»Du sollst umgebracht werden.«
»Was?«
»Das Pentagon will dich aus dem Weg räumen, um anschließend mit Erics Partnern zu verhandeln, mit Knowls, Seitz und den anderen, die bereits bewiesen haben, wie korrupt sie sind.«
Rachael war schockiert, und ihre Reaktion stellte keine Überraschung für sie dar. Sie glaubte nicht, übermäßig naiv zu sein, aber sie wies einen ausgeprägten Gegenwartsfokus auf und verschwendete kaum einen Gedanken an die komplexe Welt um sie herum, die sich ständig veränderte, wurde nur darauf aufmerksam, wenn der dauernde Wandel mit ihrem Bestreben kollidierte, bestimmte Augenblicke voll auszukosten. Aus Zweckmäßigkeitsgründen akzeptierte sie eine Vielzahl von Mythen, um ihr Leben dadurch übersichtlicher zu gestalten. Ein besonders wichtiger Mythos bestand in der Überzeugung, der Regierung liege nichts mehr am Herzen als die Wahrnehmung ihrer Interessen, ganz gleich, um was es sich dabei handelte: Kriegserklärungen, Reformen des Justizwesens oder Steuererhöhungen. Rachael war politisch neutral und interessierte sich nicht dafür, wer bei Wahlen gewann. Infolge dieser Einstellung fiel es ihr leicht, an die guten Absichten derjenigen zu glauben, die so versessen darauf waren, der Öffentlichkeit
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