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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wie ihre Umgebung. Sie hielt ihre 32er griffbereit im Schoß, starrte durch die Windschutzscheibe und beobachtete den Wald. Der Asphalt endete, aber die Nebenstraße setzte sich als Kiesweg fort. Ben fuhr jetzt langsamer, und nach einer Weile sah er vor sich ein geschlossenes Tor. Es bestand aus Stahlrohren, war himmelblau gestrichen und wies ein großes Vorhängeschloß auf. Ein schwarzrotes Schild davor warnte: KEINE DURCHFAHRT PRIVATES GELÄNDE
    »Genau wie Sarah sagte«, brummte Ben.
    Auf der anderen Seite des Tors befand sich das geheime Refugium Eric Lebens. Die Hütte war noch nicht zu sehen: Sie mochte etwa einen halben Kilometer entfernt sein, stand weiter oben am Hang.
    »Es ist noch nicht zu spät umzukehren«, sagte Rachael.
    »Doch, das ist es«, widersprach Ben.
    Die junge Frau biß sich auf die Lippe und entsicherte ihre
    Waffe.
    Mit einem elektrischen Dosenöffner löste Eric den Deckel von einer Konserve, die Gemüsesuppe enthielt. Er dachte kurz daran, sie in einem Topf zu erwärmen, aber der Hunger wurde schier unerträglich, und darum setzte er die Dose an die Lippen, trank ihren kalten Inhalt und warf den kleinen Behälter anschließend achtlos beiseite. Es gab keine frischen Lebensmittel in der Hütte: Die Vorräte bestanden nur aus einigen eingefrorenen Speisen und Konserven. Eric öffnete eine zweite Dose, die Rindfleisch enthielt, schlang den Inhalt kalt herunter, so gierig, daß er sich mehrmals verschluckte und hustete.
    Er genoß es, das Fleisch mit seinen Zähnen zu zerreißen. Es war eine seltsame Art von Freude, die aus den dunkels ten Winkeln seines Ichs stammte -ein primitives Empfinden, das ihn einerseits entzückte, andererseits den beobachtenden Teil seines Selbst erschreckte.
    Das Fleisch war fertig zubereitet und brauchte eigentlich nur erhitzt zu werden. Es enthielt Gewürze und Konservierungsmittel, aber Eric schmeckte trotzdem die wenigen Blutreste. Sie bildeten einen verschwindend geringen Anteil des Doseninhalts, und doch nahm Eric ihr Aroma nicht etwa als vage wahr, sondern als einen geradezu überwältigenden Ge ruch, als eine Köstlichkeit, die seinen Appetit noch weiter stimulierte und die Speicheldrüsen zu gesteigerter Aktivität veranlaßte.
    Innerhalb weniger Minuten leerte er den Behälter mit dem Rindfleisch, genehmigte sich eine Dose mit Chili und dann noch eine mit Nudelsuppe. Langsam ließ das in ihm rumo rende Hungergefühl ein wenig nach. Er schraubte den Dekkel eines Glases mit Erdnußbutter ab, tauchte den Finger in die weiche Masse und leckte ihn ab. Sie schmeckte nicht annähernd so gut wie das Fleisch, doch er wußte, daß sie wichtige Nährstoffe enthielt, die sein auf Hochtouren laufender Metabolismus brauchte. Er aß mehr davon, warf das Glas fort, als es leer war, blieb einige Augenblicke lang ruhig stehen und schnappte nach Luft.
    Das unheimliche und schmerzlose Feuer brannte noch immer in ihm, doch der Hunger war nur noch ein konturloser Schatten.
    Aus den Augenwinkeln sah er seinen Onkel Barry, der auf einem Stuhl am kleinen Küchentisch saß und grinste. Diesmal ignorierte Eric ihn nicht einfach, sondern drehte sich um und trat einige Schritte auf ihn zu. »Was willst du hier, du verdammter Mistkerl?« fuhr er die Erscheinung an. Seine Stimme klang völlig anders, rauh und belegt. »Warum grinst du so blöd, du perverses Arschloch? Verschwinde von hier!«
    Onkel Barrys Gestalt löste sich auf -was Eric nicht weiter erstaunte. Schließlich handelte es sich bei ihm nur um ein Trugbild, hervorgerufen von geschädigten Hirnzellen.
    Illusorische Flammen, die sich von dunklen Schemen nährten, züngelten in der Finsternis jenseits der Kellertür. Eric beobachtete die Schattenfeuer. Wieder schien ein geheimnisvoller Ruf von ihnen auszugehen, der Furcht in ihm bewirkte. Doch da es ihm gelungen war, Onkel Barry zu verjagen, schöpfte er neuen Mut und näherte sich den ro ten und silbrigen Flammen - entschlossen dazu, sie ebenfalls zu verscheuchen oder endlich herauszufinden, was sich in und hinter ihnen befand.
    Dann erinnerte er sich an den Sessel im Wohnzimmer, das Fenster, an seinen Wachposten. Einige Dinge hatten ihn von der wichtigen Aufgabe abgelenkt, den Weg zu beobachten und nach seinen Verfolgern Ausschau zu halten: die ungewöhnlich heftigen Kopfschmerzen, die Veränderungen im Gesicht, das gräßliche Spiegelbild, die Wildcard-Akte, der wilde Hunger, Onkel Barrys Manifestation -und jetzt die eingebildeten Feuer hinter der Kellertür. Es war ihm

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