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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Hirn - in einem Hirn, das jedoch heilte. Trugbilder, hervorgerufen von noch fehlerhaften Interaktionen zwischen Synapsen und Neuronen. Weiter nichts. Und dennoch: Wenn sich Eric umdrehte und direkt in die Schattenfeuer sah, verblaßte ihr Glanz nie, brannten sie noch heller.
    Obgleich weder Rauch noch Hitze von den Flammen ausgingen und sie auch gar nichts verbrannten, reagierte Eric mit immer größer werdender Furcht auf sie. Zum einen deswegen, weil er in - oder hinter -ihnen seltsame Gestalten zu erkennen glaubte, bei deren Anblick sich Entsetzen in ihm regte. Zwar versuchte er sich nach wie vor einzureden, es handele sich dabei nur um Produkte einer ausufernden Fantasie, doch das milderte seine Angst nicht. Noch immer hatte er keine Ahnung, was die Schattenfeuer bedeuteten und ob sie eine echte Gefahr für ihn darstellten. Manchmal, wenn er von ihnen geradezu hypnotisiert war, hörte er sich leise wimmern.
    Nahrung. Zwar wies sein genetisch veränderter Körper die Fähigkeit zur Selbstregeneration und beschleunigter Heilung auf, aber er wollte richtig ernährt werden -mit Vitaminen, Mineralstoffen, Kohlehydraten und Proteinen. Daraus bezog er seine Energie, um zerfetztes Gewebe neu zu strukturieren. Zum erstenmal seit seinem Erwachen im Leichenschauhaus war Eric regelrecht hungrig.
    Er wankte in die Küche und sah im großen Kühlschrank nach.
    Am Rande seines Gesichtsfeldes bemerkte er eine Bewegung: Irgend etwas schien aus einer Steckdose herauszukriechen, etwas Langes und Dünnes. Irgendein insektenhaftes und abscheuliches Geschöpf. Aber Eric wußte, daß es sich nur um ein weiteres Trugbild handelte, ein neuerliches Symptom seiner Hirnverletzung. Er beschloß, das illusorische Wesen einfach zu ignorieren, sich davon keinen Schrekken einjagen zu lassen - obwohl er ganz deutlich hörte, wie winzige Hornbeine über den Boden kratzten. Er widerstand der Versuchung, den Kopf zu drehen. Verschwinde. Nach wie vor starrte er in den Kühlschrank und biß die Zähne zusammen. Fort mit dir. Und als er sich umwandte, sah er nur eine ganz gewöhnliche leere Steckdose.
    Dafür saß jetzt sein vor vielen Jahren verstorbener Onkel Barry auf dem Kühlschrank und grinste. Als Kind war Eric oft mit Onkel Barry Hampstead, der ihn mißbraucht hatte, allein gewesen. Er erinnerte sich an seine Drohungen, ihm den Pe
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    nis abzuschneiden, wenn er jemandem etwas verriet, und damals zweifelte Eric nicht daran, daß es sein Onkel ernst meinte. Barry kletterte herunter, machte einige Schritte, lehnte sich an den Tisch und meinte: »Komm her, mein Süßer. Laß uns ein wenig Spaß haben.« Eric hörte die Stimme, ebenso deutlich wie vor fünfunddreißig Jahren. Und es fiel ihm immer schwerer zu glauben, daß weder der Mann noch die Stimme echt waren. Er hatte die gleiche Angst vor Barry Hampstead wie damals.
    Er schloß die Augen und versuchte, das Trugbild mit der Kraft seines Willens zu vertreiben. Ein oder zwei Minuten lang stand er schwankend vor dem Kühlschrank und wollte die Augen erst dann wieder öffnen, wenn es keinen Zweifel mehr daran geben konnte, daß die Erscheinung verschwunden war. Nach einer Weile aber begann er sich vorzustellen, wie Onkel Barry die gute Gelegenheit nutzte, um sich an ihn heranzuschleichen und ihn zwischen die Beine zu fassen...
    Ruckartig kamen seine Lider in die Höhe.
    Das Phantom Barry Hampstead exis tierte nicht mehr.
    Erleichtert ließ Eric den angehaltenen Atem entweichen, holte einige vorbereitete Sandwiches aus dem Gefrierfach und erwärmte sie im Backofen, konzentrierte sich ganz auf diese Aufgabe. Mit geduldiger Schwerfälligkeit setzte er eine Kanne Kaffee auf, nahm anschließend am Tisch Platz, beugte sich zitternd vor und aß und trank.
    Eine Zeitlang schien sein Appetit unersättlich zu sein, und allein der Vorgang des Essens gab ihm das Gefühl, noch nie so lebendig gewesen zu sein wie jetzt. Er biß ab und kaute, schmeckte und schluckte - und diese Erfahrungen integrierten ihn in die Welt der Lebenden. Für eine gewisse Zeit genoß er fast so etwas wie Frohsinn.
    Dann merkte er, daß die Wurst nicht ganz so lecker war wie vor seinem Unfall, daß er keinen rechten Gefallen an ihr finden konnte. Er senkte den Kopf und schnupperte an dem Fleisch, nahm aber nicht das würzige Aroma wahr, an das er sich erinnerte. Eric starrte auf seine kühlen, aschgrauen und feuchten Hände, die das Brötchen mit dem Würstchen hielten, und das dampfende Stück Schweinefleisch wirkte weitaus

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