Schattenfeuer
ich nahm das Angebot an -und innerhalb kurzer Zeit verwandelte ich mich in einen mit allen Wassern gewaschenen Einzelkämpfer. Ganz gleich, welche Waffe man mir auch in die Hand drückte -ich verstand damit umzugehen. Selbst mit bloßen Händen war ich imstande, Gegner so schnell umzubringen, daß sie gar nicht wußten, wie ihnen geschah. Ich flog nach Vietnam und wurde einer Aufklärungseinheit zugeteilt, was bedeutete, daß ich mit einer Menge Action rechnen konnte. Einige Monate lang ging es mir prächtig; tatsächlich genoß ich es, immer dabeizusein, wenn es richtig losging.«
Ben behielt nach wie vor die Straße im Auge, aber Rachael stellte fest, daß er langsam den Fuß vom Gas nahm, als ihn seine Erinnerungen nach Südostasien zurückversetzten.
Er zwinkerte, als einige Sonnenstrahlen durch das Nadeldach über der Straße filterten und über die Windschutzscheibe glänzten. »Doch wenn man einige Monate lang immer nur durch Blut watet und beobachtet, wie die Kameraden einer nach dem anderen sterben, wenn man selbst mehrmals nur knapp dem Tod entgeht und miterleben muß, wie Zivilisten niedergemetzelt werden, wie kleine Kinder im Napalmchaos verbrennen... Nun, dann entstehen erste Zweifel. Und ich wurde immer nachdenklicher.«
»O mein Gott, Benny, es tut mir leid. Ich wußte nicht, daß du so etwas durchgemacht hast, ein derartiges Entsetzen ...«
»Du brauchst mich nicht zu bemitleiden. Ich kam durch und konnte mein ziviles Leben fortsetzen. Aber viele von uns blieben auf der Strecke, verrotteten irgendwo im Dschungel.«
Lieber Himmel, dachte Rachael. Und wenn du nicht zurückgekehrt wärst? Dann hätte ich dich nie kennengelernt, nicht erfahren, was mir entging.
»Wie dem auch sei...« fuhr Ben fort. »Ich begann zu zweifeln, und für den Rest des Jahres war ich ziemlich durcheinander. Ich kämpfte, um die gewählte Regierung von Südvietnam zu schützen, doch im Regierungsapparat herrschte eine schamlose Korruption. Ich kämpfte, um die vietnamesische Kultur vor der Vernichtung durch den Kommunismus zu bewahren, aber eben jene Kultur war das Opfer einer erbarmungslosen Amerikanisierung.«
»Wir wollten Frieden und Freiheit für Vietnam«, sagte Rachael. »So hieß es jedenfalls.« Ihr Altersunterschied zu Ben betrug sieben Jahre. Unter anderen Umständen nicht weiter von Bedeutung. In diesem besonderen Fall aber handelte es sich um sieben sehr wichtige Jahre. Der Krieg in Vietnam war nicht ihr Krieg gewesen. »Es ist doch nicht falsch oder verwerflich, sich für Frieden und Freiheit einzusetzen.«
»Nein«, bestätigte Ben dumpf. »Aber wir schienen den Frieden dadurch anzustreben, indem wir uns bemühten, alle umzubringen und das ganze verdammte Land zu verheeren. Ich fragte mich: Wurden die Geschicke meines Landes von einem unfähigen Präsidenten bestimmt? Stand ich auf der falschen Seite? Gehörte ich vielleicht zu den Bösen und nicht zu den Guten, wie ich bis dahin angenommen hatte? Oder war ich trotz der Marineausbildung zu jung und zu naiv, um alle Hintergründe zu verstehen?« Shadway schwieg einige Sekunden lang, steuerte den gemieteten Ford erst durch eine scharfe Rechts- und dann eine enge Linkskurve. »Als meine Dienstzeit endete, hatte ich noch immer keine Antworten auf diese Fragen gefunden. Und deshalb verpflichtete ich mich erneut.«
»Du bist in Vietnam geblieben, obwohl du nach Hause zurückkehren konntest?« fragte Rachael überrascht. »Trotz deiner Bedenken?«
»Ich mußte der Sache auf den Grund gehen«, erwiderte Ben. »Es blieb mir keine andere Wahl. Ich meine: Ich hatte viele Leute getötet, weil ich mich, mein Land, im Recht glaubte, und ich wollte unbedingt herausfinden, ob ich von den richtigen Voraussetzungen ausging. Ich konnte mich nicht aus dem Staub machen, mein früheres Leben fortsetzen und den Krieg und seine Greuel vergessen. Nein. Ich mußte feststellen, ob ich ein anständiger Mann war, vielleicht sogar ein Held -oder ein kaltblütiger Mörder. Aber es gab auch noch einen anderen Grund dafür, daß ich blieb. Versuch bitte, mich zu verstehen, Rachael: Ich war damals sehr jung und idealistisch, hielt Patriotismus für das wichtigste Prinzip überhaupt. Ich liebte mein Land, glaubte daran, vertraute ihm blindlings. Das alles konnte ich nicht so einfach von mir abstreifen wie... wie eine Schlange ihre Haut.«
Sie kamen an einem Schild vorbei, das die Entfernung nach Running Springs mit vierundzwanzig und die zum Lake Arrowhead mit neunundzwanzig Kilometern
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