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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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lebendiger als er.
    Plötzlich erschien ihm die Situation geradezu lächerlich: ein Toter, der am Tisch saß und frühstückte, der verzweifelt versuchte, sich als ein Lebender zu geben, so als genügten gute schauspielerische Fähigkeiten, um den Tod zu betrügen, als könne man ins Leben zurückkehren, indem man sich auf genügend profane Aktivitäten konzentrierte. Andererseits: Eric konnte gar nicht tot sein, denn weder im Himmel noch in der Hölle gab es Bockwürstchen und Instantkaffee in diesem Punkt war er ziemlich sicher. Ja, er lebte, weil er den Kühlschrank und den Herd benutzte. Zwar hatten solche Geräte inzwischen eine weite Verbreitung gefunden, doch an den Ufern des Flusses Styx gab es keine Supermärkte. Oder?
    Schwarzer Humor, sicher, ziemlich schwarzer sogar-aber Eric lachte trotzdem laut auf. Bis er das Echo seiner Stimme hörte. Sie klang heiser und rauh und kalt. Es war kein echtes Lachen, sondern nur eine armselige Imitation; es hörte sich an, als keuche und schnaufe ein asthmatischer Greis, als litte er an Atemnot. Eric schauderte plötzlich und begann zu schluchzen. Er ließ das Brötchen mit der Wurst fallen, stieß Teller und Tasse zu Boden, sank nach vorn, legte die Arme auf den Tisch und stützte den Kopf darauf ab. Seine Schultern zitterten und bebten, während er weinte, und eine Zeitlang gab sich Eric ganz seinem Selbstmitleid hin.
    Die Mäuse, die Mäuse, denk an die Mäuse, stell dir vor, wie sie an die Wände ihrer Käfige stoßen...
    Noch immer begriff er nicht, was diese Worte bedeuteten, konnte sich an keine Mäuse erinnern. Gleichzeitig aber gewann er den Eindruck, daß er sich immer mehr dem Verständnis dieser Warnung näherte. Unmittelbar jenseits seiner bewußten Ge danken warteten unheilvolle Reminiszenzen.
    Die emotionale Graue in ihm verdüsterte sich, und seine Wahrnehmung wurde noch schlechter.
    Nach einigen Sekunden begriff er, daß er in die finstere Umarmung eines Komas sank. Es begann eine neuerliche Scheintodphase, während der sich Herzschlag und Atemrhythmus dramatisch verlangsamten, was seinen Körper in die Lage versetzen sollte, weitere Gewebeschäden zu reparieren und wieder neue Kraft zu sammeln. Eric glitt vom Küchenstuhl auf den Boden, zog die Beine an und blieb in der Fötusstellung liegen.
    Bei Redlands bog Ben von der Interstate 10 ab und setzte die Fahrt über die State Route 30 fort. Die Entfernung zum Lake Arrowhead betrug nur noch gut vierzig Kilometer.
    Die zweispurige Straße, die durch die San Bernardino Mountains führte, war uneben und wies viele Schlaglöcher auf, und aus diesem Grund kamen sie nur langsam voran.
    In der vergangenen Nacht hatte Rachael Ben ihre Geheimnisse enthüllt, ihm alle Einzelheiten über das Projekt Wildcard und Erics Zwänge geschildert - sicher auch in der Erwartung, von Ben einige Erklärungen zu hören. Doch bisher wußte sie nicht, wieso er imstande gewesen war, mit Vincent Baresco fertig zu werden, warum er so gut mit Autos und Waffen umgehen konnte. Trotz ihrer Neugier sprach Rachael ihn nicht darauf an. Sie spürte, daß sich seine Geheimnisse durch eine weitaus persönlichere Natur auszeichneten, daß er über Jahre hinweg Barrieren errichtet hatte, die er nun nicht so einfach beiseite schieben konnte. Sie wußte, daß er sich ihr dann anvertrauen würde, wenn er den Zeitpunkt für gekommen hielt.
    Als sie über die Route 330 fuhren und die Entfernung zum Lake Arrowhead auf etwas mehr als dreißig Kilometer zusammenschrumpfte, brach Ben plötzlich das Schweigen. Sie befanden sich inzwischen hoch in den Bergen, und selbst im klimatisierten Innern des Wagens konnte man spüren, wie die Hitze der Wüste hinter ihnen zurückblieb. Vielleicht war es der Umstand, den natürlichen Backofen verlassen zu haben, der Ben gesprächiger machte. Er lenkte den Wagen durch einen dunklen Tunnel aus Pinienschatten und begann:
    »Im Alter von achtzehn Jahren trat ich in die Marine ein und meldete mich freiwillig für den Krieg in Vietnam. Ich war kein Pazifist, wie damals viele meiner Altersgenossen, aber ich sprach mich auch nicht direkt für den Krieg aus. Ich hielt es schlicht und einfach für richtig, meiner Heimat zu dienen. Wie sich herausstellte, wies ich gewisse Fähigkeiten auf, die mich für die Elitetruppe des Corps prädestinierten, die Marine Reconnaissance, das Gegenstück zu den Army Rangers oder Navy Seals. Man wurde schon recht bald auf mich aufmerksam und stellte mir eine Sonderausbildung in Aussicht. Nun,

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