Schattenfeuer
Und er schauderte und zitterte, begriff, daß es sich nicht um Sarah handelte, sondern eine andere Frau, deren Namen er nicht einmal kannte, eine Fremde, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Rachael aufwies. Absurd, lächerlich, einfach unmöglich: Er hatte keine zwei getötet, nicht einmal eine. Doch der Blick seiner inneren Pupillen fiel auf einen großen Müllbehälter, eine schmale und dunkle Gasse. Noch eine Frau, eine dritte, ein hübsches, lateinamerikanisches Mädchen, die Kehle von einem Skalpell aufgeschlitzt, die Leiche inmitten stinkender Abfälle...
Nein. Mein Gott, was habe ich aus mir selbst gemacht?
dachte Eric. Er spürte, wie sich in seiner Magengrube etwas zusammenkrampfte. Ich bin sowohl Forscher als auch Versuchsobjekt. Schöpfer und Schöpfung, und vielleicht ist das ein Fehler, ein schrecklicher Fehler. Bin ich zu meinem eigenen ... Frankenstein-Ungeheuer geworden?
Für einige entsetzliche Sekunden klärte sich der Dunst in seinem Bewußtsein, und inmitten der grauenerfüllten Überlegungen schimmerte die Wahrheit so hell wie ein Fanal.
Heftig schüttelte er den Kopf und gab vor, sich von den letzten Nebelschwaden in seinem Geist befreien zu wollen. In Wirklichkeit aber ging es ihm darum, die gräßliche Erkenntnis aus sich zu verdrängen. Aufgrund seiner umfassenden Hirnschädigungen und des bedenklichen körperlichen Zustandes fiel es ihm leicht, die Wahrheit zu ignorieren. Die ruckartigen Bewegungen des Kopfes brachten die Benommenheit zurück, behinderten die mentalen Prozesse, weckten Verwirrung und Desorientierung in ihm.
Die toten Frauen... falsche Erinnerungen, ja, Trugbilder wie die Schattenfeuer. Er war kein kaltblütiger Mörder. Die Reminiszenzen mußten ebenso illusorisch sein wie die Manifestationen seines Onkels Barry und die seltsamen Insekten, die er manchmal sah.
Denk an die Mäuse, die Mäuse, die in wütender Raserei durch ihre Käfige laufen, sich im Kreis drehen und in den eigenen Schwanz beißen...
Welche Mäuse? Was hatten aggressive Mäuse mit ihm zu tun?
Vergiß die verdammten Mäuse.
Wichtig war nur eins: Er konnte niemanden ermordet haben. Nein, völlig unmöglich. Nicht er, Eric Leben. Sein Ge dächtnis spielte ihm einen Streich. Fehlerhafte Verbindungen zwischen Synapsen und Neuronen, sagte er sich zum wiederholten Male. Kurzschlüsse in seinem zerfetzten Hirngewebe, das noch immer nicht vollständig restrukturiert war. Bestimmt würden sich solche Halluzinationen bis zum Ende des Heilungsprozesses wiederholen. Bis dahin mußte er sie ignorieren, wenn er nicht riskieren wollte, an seinen Sinnen zu zweifeln. Und angesichts seines destabilen geistigen Gleichgewichts kostete ihn Selbstzweifel nur wertvolle Energie.
Er zitterte und schwitzte, zog die Tür auf, trat in die Garage und schaltete das Licht ein. Sein schwarzer Mercedes 560 SEL stand dort, wo er ihn am vergangenen Abend abgestellt hatte.
Als Erics Blick auf den Wagen fiel, sah er plötzlich das Erinnerungsbild eines anderen Autos, das wesentlich älter und nicht annähernd so luxuriös war, entsann sich des Kofferraums, in dem er eine Leiche unterbrachte...
Nein. Trugbilder. Illusionen. Weiter nichts.
Vorsichtig preßte er eine feuchte Hand an die kühle Wand, stützte sich einige Sekunden lang ab und sammelte Kraft. Als er kurz darauf den Kopf hob, wußte er nicht mehr, aus welchem Grund er sich in der Garage befand.
Allmählich entstand wieder das instinktive Gefühl in ihm, verfolgt zu werden. Er ahnte, daß es jemand auf ihn abgesehen hatte und er sich bewaffnen mußte. Innerhalb seines grauen und farblosen Gedankenkosmos formten sich keine deutlichen Bilder derjenigen, die seinen Spuren folgten, doch das änderte nichts an der Erkenntnis, in Gefahr zu sein. Eric stieß sich von der Wand ab, taumelte am Wagen vorbei und näherte sich der Werkbank.
Er bedauerte es, keine Waffe mitgenommen zu haben. Jetzt mußte er sich mit einer Holzaxt begnügen, die er aus dem Wandgestell löste und an der einige Spinnweben klebten. Für gewöhnlich diente dieses Werkzeug dazu, Feuerholz zu zerkleinern, und die Schneide war sehr scharf.
Zwar glaubte Eric, nicht zu einem'kaltblütigen Mord in der Lage zu sein, aber er konnte töten, um sein eigenes Leben zu schützen. Zwischen Selbstverteidigung und Mord gab es einen großen Unterschied. Das Recht zur Notwehr war sogar gesetzlich legitimiert.
Er wog die Axt in der Hand und nickte zufrieden. Anschließend holte er mehrmals mit der improvisierten Waffe aus,
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