Schattenfeuer
ihr ein Gegenmittel, das die Wirkung des Sedativs aufhebt«, bot sich Werfell an und steuerte auf die geschlossene Tür zu.
»Sie bleiben hier«, sagt Sharp. Er deutete auf den Rufknopf am Rande des Bettes. »Lassen Sie sich das, was Sie brauchen, von einer Schwester holen.«
»Es handelt sich um eine recht fragwürdige Behandlung«, wandte der Arzt ein. »Ich möchte keine Schwester in Gewis senskonflikte bringen.« Er ging hinaus, und hinter ihm fiel die Tür leise ins Schloß.
Sharp sah auf das schlafende Mädchen herab. »Zum Anbeißen«, brummte er.
Peake zwinkerte überrascht.
»Ein echter Leckerbissen«, fügte Sharp hinzu, ohne den Blick von Sarah abzuwenden.
Peake beobachtete die Schlafende und versuchte vergeblich, sie mit den Augen seines Vorgesetzten zu sehen. Das blonde Haar war zerzaust, und einzelne, schweißnasse Strähnen klebten an der Stirn und dem Hals. Die Haut unter dem rechten Auge war dunkel und angeschwollen, und einige dünne Blutkrusten deuteten auf langsam heilende Risse in der Haut hin. Auf der rechten Wange zeigte sich ein langer, purpurner Striemen, der bis zum Unterkiefer reichte, und die Unterlippe war aufgeplatzt. Das Laken bedeckte sie bis zum Kinn, und nur ihr dünner, rechter Arm ragte darunter hervor: Ein gebrochener Finger steckte in einer speziellen Halterung. Blutige Reste erinnerten an die ausgeris senen Nägel, und die Hand selbst sah nicht etwa wie die eines jungen Mädchens aus, sondern ähnelte der langgliedrigen, knöchernen Klaue eines Vogels.
»Sie war fünfzehn, als sie Eric Leben kennenlernte«, sagte Sharp ruhig. »Jetzt ist sie sechzehn.«
Jerry Peake wandte den Blick von der Schlafenden ab und musterte seinen Vorgesetzten, dessen Aufmerksamkeit nach wie vor Sarah Kiel galt. Eine jähe Erkenntnis bildete sich in dem DSA-Agenten, und der damit einhergehende Schock ließ ihn taumeln. Er begriff plötzlich, daß Anson Sharp, stellvertretender Direktor der Defense Security Agency, ein Sadist war.
Perverse Gier funkelte in den grünen Augen des großen Mannes, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer wollüstigen Fratze. Ganz offensichtlich hielt er Sarah Kiel nicht etwa aufgrund einer besonderen Attraktivität für einen Leckerbissen, sondern weil sie erst sechzehn und arg mitgenommen war. Sein entzückter Blick glitt über die Blutkrusten und blauen Flecken, die auf ihn eine ebenso erotische Wirkung hatten wie volle Brüste auf einen normalen Mann. Ein Sadist, der es verstand, sich unter Kontrolle zu halten, ein perverser Mistkerl, der seine kranke Libido zu unterdrücken vermochte - und sich dadurch ein Ventil verschaffte, indem er mit aggressivem Ehrgeiz Karriere machte.
In Peake regte sich eine Mischung aus Verblüffung und Entsetzen. Er war nicht etwa in erster Linie deshalb erstaunt, weil er plötzlich Sharps wahres Wesen erkannte. Vielmehr machte es ihn geradezu perplex, überhaupt zu einer solchen Einsicht imstande zu sein. Zwar wünschte er sich nichts sehnlicher, als eine Legende zu werden, aber Jerry Peake wußte auch, daß er trotz seiner siebenundzwanzig Jahre und der Tätigkeit für die DSA ausgesprochen naiv war und dazu neigte, nur die äußere Fassade von Menschen zu sehen, nicht etwa das, was wirklich ihr Denken und Fühlen bestimmte. Manchmal kam er sich vor, als sei er noch immer ein kleiner Junge - oder als sei der kleine Junge in ihm ein zu großer Faktor seines Charakters. Während er Anson Sharp anstarrte, der Sarah Kiel mit seinen Blicken zu verschlingen schien, zitterte plötzlich Aufregung in ihm. Er fragte sich, ob er jetzt endlich begann, erwachsen zu werden.
Sharp, betrachtete die verletzte rechte Hand des jungen Mädchens, und in sein en grünen Augen funkelte es. Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.
Mit einem plötzlichen Ruck öffnete sich die Tür, und Dr. Werfell kehrte zurück. Sharp zwinkerte und schien Mühe zu haben, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Wie in Trance wandte er sich vom Bett ab und sah zu, wie Werfell dem jungen Mädchen eine Injektion gab.
Nach einigen Minuten schlug Sarah Kiel die Augen auf und sah sich verwirrt um. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wo sie sich befand, wie sie ins Krankenhaus gekommen war und was der Grund für ihren Zustand sein mochte. Mehrmals fragte sie Werfell, Sharp und Peake danach, wer sie seien, und der Arzt antwortete ihr geduldig, während er ihren Puls fühlte, den Herzschlag überprüfte und in ihre Pupillen sah.
Anson Sharp wurde immer unruhiger. »Doktor,
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