Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Herr! Das ist die Rettung!«
Derrien nickte benommen. Er spürte Tränen in seinen Augen. Baturix hatte Recht. Das war die Rettung. Jetzt mussten sie nur noch die Nain aus dem Hof und von den Wällen verscheuchen …
Er steckte
Waldsegen
zurück in die Scheide. Mit neuer Kraft und Entschlossenheit ging er zur Wendeltreppe, die von der Halle auf den Wehrgang hinaufführte. Seine Gedanken drehten sich bereits wieder um Kampf und Taktik. Der Gegner war verwirrt und verängstigt, wenn sie jetzt zügig angriffen, konnte nichts sie davon abhalten, die Nain davonzufegen. Zusammen mit den Helvetiern würden sie Trollstigen bis zum Ende der Welt halten.
Er stieß die Falltür zum Wehrgang auf und sah sich um. »Murdoch!«, schrie er und winkte den Schotten zu sich. »MURDOCH! Wir brauchen einen Ausfall aus dem Glockenturm!«
Um sie herum jubelten die Krieger auf den Türmen und Wällen. Auch Murdoch hatte ein breites Grinsen auf den Lippen. Doch Derrien sah schnell, dass dieses Grinsen nur eine festgefrorene Grimasse war. In den Augen des Wolfs glitzerte Mordlust. Der Druide sah auch aus wie ein Mörder. Er war von oben bis unten blutverschmiert, sein Umhang hing in Fetzen, sein Kettenhemd hatte so viele Risse, dass sich Derrien fragte, wie es überhaupt noch zusammenhielt. Einer seiner Schläfenzöpfe fehlte, der andere war hinter sein Ohr geklemmt, wo er vermutlich vor lauter Blut festgetrocknet war. Sein Helm war verschwunden, dafür hatte er sich ein zweites Langschwert umgegürtet.
»Zeig mir, wen ich töten soll!«, lispelte Murdoch.
Derrien zeigte am Glockenturm vorbei zum Nordwall. »Sie. Sie alle dort.«
Murdoch nickte und trat an ihm vorbei.
»HALTET!«, brüllte Rushai. »HALTET! BLEIBT HIER!«
Doch es war zwecklos. Die Moral seiner Krieger war gebrochen, hinweggefegt von einem Dreifachschlag aus Murdochs Sieg auf dem Nordwall, dem Untergang des Phantoms sowie der Ankunft der Helvetier. Rushai hatte fünfzehntausend Mann auf der Treppe und wahrscheinlich zehn Schatten für jeden Druiden,den die Hexer selbst mit ihrer Verstärkung aufbieten konnten, doch seine Männer sahen nur den Augenblick, sahen sich eingeschlossen von blutrünstigen Hexern und frisch ausgeruhten Helvetiern und gerieten in Panik. Fomorer wie Schatten schwangen sich hektisch über die Brustwehr des Ostwalls und versuchten, auf die Leitern zu steigen, doch die meisten wurden von ihren nachdrängelnden Gefährten geschoben oder gar absichtlich gestoßen und stürzten schreiend in die Tiefe. Fassungslos beobachtete Rushai, wie sich der schon sicher geglaubte Sieg vor seinen Augen in Luft auflöste. Die Krieger der keltischen Verstärkung breiteten sich in der Festung aus wie ein Lauffeuer, sie kletterten die Leitern zu den Wällen hinauf, sie besetzten die Türme, sie formierten sich am Ostturm zur Rückeroberung des Ostwalls. Hastig überlegte Rushai, wie die Situation noch zu retten war, aber mit jedem Augenblick reifte das Wissen in ihm, dass er hier auf verlorenem Posten stand.
Auch das war ein Echo, aber keines, nach dem Rushai gesucht hatte. Es war ein Missklang, schräg und falsch, wie wenn ein Kind wahllos auf den Tasten eines Klaviers herumhämmerte. Die Sinfonie in der Leere seines Körpers geriet in Unordnung und Chaos und zerplatzte schließlich mit einem hässlichen lauten Krachen.
Er hatte verloren. Es war aus, vorbei. Er musste hier weg.
Jetzt
, bevor ihn noch einer der Bogenschützen aus den Türmen erwischen konnte.
Er stieg auf die Brustwehr und sprang.
Baturix hatte Cintorix längst erkannt. Er war prächtig anzusehen auf dem Schimmelrappen Abacus, den der Fürst als Reitpferd bevorzugte. Sein Kettenhemd aus teurer walisischer Produktion glänzte frisch gesandet, auf dem Kopf trug er einen offenbar neuen Centurionenhelm, auf dem ein breiter Kamm aus rot gefärbtem Rosshaar befestigt war. Sein Wams war ebenso wie sein Schild rot und trug eine weiße Spinne. Der Lippen-Kinnbart des Fürsten war tadellos ausrasiert. Seine Augen waren wie immer unlesbar.
Knapp zwanzig Jahre hatte Baturix ihm gedient, in blinderTreue und Gehorsam, zuerst als Diener, dann als Gardist und schließlich in den letzten Jahren als Anführer der Garde. Alles hatte er ihm zu verdanken gehabt: sein Leben, seinen Wohlstand, seine Frau und seine Familie. Alles. Bis Cintorix es ihm wieder genommen hatte.
Eine Welle aus Bitterkeit floss durch Baturix, als er unter den Gardisten auch Magnus und Majestus entdeckte, die beiden Männer, die
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