Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
hatte Gwezhenneg davon gehört, dass man ihn im Bergwald versteckt hatte – wahrscheinlich war der Mann sogar daran beteiligt gewesen. »Setz dich wieder«, forderteer ihn auf, »es gibt keinen Grund, vor mir zu knien. Habe ich dir das Versteck oben im Bergwald zu verdanken?«
»Es waren mehrere Leute daran beteiligt, Herr«, meinte der Veteran, während er aufstand und sich erneut auf dem Strohballen niederließ. »Sagt, wie kann ich Euch dienen?«
Ein Lächeln huschte über Seogs Lippen. Genau so hatte er gehofft, empfangen zu werden. Er lehnte sich zurück gegen die Wand der Hütte. »Erzähl mir, was in der Zwischenzeit passiert ist.«
Also begann Gwezhenneg zu erzählen, eine Geschichte, bei der Seog oft grimmig nicken musste. Er hatte die Situation überraschend gut eingeschätzt. In ganz Mittel- und Nordeuropa hatte sich in der Mittsommernacht das längst für ausgestorben gehaltene Volk der Germanen erhoben und einen Großteil seiner früheren Siedlungsgebiete zurückerobert. Zehntausende, Hunderttausende Kelten und Slawen und Angehörige anderer Völker waren innerhalb von nur wenigen Tagen in germanische Kriegsgefangenschaft geraten. Zu Seogs Überraschung waren die Druiden und Priester jedoch nicht etwa getötet, sondern in ihre Stammlande geschickt worden, unter den heiligsten Schwüren, den Kampf gegen die Germanen nicht wieder aufzunehmen. Auch die Fürstin Aouregan, Häuptling der norwegischen Bretonen, hatte überlebt und war mit einigen anderen Druiden in das Exil nach Britannien verbannt worden.
Der Dämon, der nun schon seit mehr als einem Jahr den Fjord bedrohte, existierte noch immer. Auch den Germanen – den norðmenn, wie sich die Norweger hier nannten – war bisher keine Lösung für dieses Problem eingefallen. Und so blieben die Bewohner des Romsdalsfjordes abgeschnitten von den Fischgründen, die den Bretonen über Jahrzehnte hinweg so reichhaltige Fänge beschert hatten. Es herrschte Hunger. Und es waren nicht nur die kriegsgefangenen Leibeigenen, die nichts zu essen hatten, nein, angeblich hungerten auch ihre germanischen Herren. Fürstin Gudrun, die Anführerin der norðmenn, die in der Außenwelt den Namen Veronika getragen hatte, schickte Handelskarawanenin die Lande der Helvetier und der umliegenden Germanenstämme, um die Not zu mildern. Anscheinend war sie eine sympathische junge Frau, der es bisher ohne Waffengewalt gelang, die Bretonen ruhig zu halten.
Seog erkundigte sich, wo sich diese Gudrun nun aufhielt, immerhin würde sie vermutlich bald zu seinen ärgsten Feinden gehören. Gwezhenneg erklärte ihm, dass sie für die nächsten Wochen auf der Festung Trollstigen lebte, die am Ende des Isterdals den Aufstieg zum Trollstigenpass bewachte. Die Germanen hatten Angst vor den Nain-Armeen im Süden.
Seog seufzte. Die Nain im Süden waren ebenfalls Feinde, mindestens genauso schlimm wie die Germanen. Vor einem halben Jahr war die Ratsarmee von Dùn Robert 9 nach Bergen marschiert, um sie zu vernichten, und hatte in der Schlacht von Espeland einen deutlichen Sieg errungen. Doch während die Kelten aus dieser Schlacht selbst deutlich geschwächt hervorgegangen waren, hatte eine
zweite
Nain-Armee tief im Süden das keltische Ratsgebiet von Dachaigh na Làmthuigh 10 erobert, weshalb die Schatten nun Tausende neuer Kriegsgefangener besaßen, die sie zu Fomorern machen konnten. Trotz ihrer Niederlage bei Espeland waren sie nun stärker denn je, kein Wunder, dass diese Gudrun den Trollstigenpass so sorgfältig überwachte. Ohne die Festung Trollstigen waren die Nain nicht in der Lage, zum Romsdalsfjord vorzudringen.
Immerhin wusste Gwezhenneg, dass sich in den Bergwäldern bis vor kurzem noch einige Waldläufer versteckt gehalten hatten, die im Auftrag Derrien Schattenfeinds die Germanen beobachteten und darauf hofften, den Fjord zurückzuerobern. Seog wollte schon aufatmen – Derrien lebte, er würde Seog zu sich holen und ihm die nötigen Befehle geben, um sein Volk aus der Sklaverei der Germanen zu befreien –, als Gwezhenneg niedergeschlagenhinzufügte, dass die Waldläufer seit zwei Wochen spurlos verschwunden waren. Es hieß, dass die Germanen sie erwischt hatten.
Seog zog eine Grimasse.
Er war allein.
Und er hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte.
BATURIX (1)
Die Treppe zur Festung Trollstigen, Norwegen
Montag, 01. November 1999
Die Innenwelt
Es war eine bittere Winternacht, der klare Himmel mit kalt leuchtenden Sternen übersät. Ein eisiger Wind
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