Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
von dort oben, gehen hier durch das Dorf und führen weiter nach Westen.«
»Was ist mit den Wachen?«, erkundigte sich Bärenfell. »Er kann unmöglich an den Wachen vorübergekommen sein.«
»Er ist hinüber zum Strand gewechselt. Wahrscheinlich ist er dort an ihnen vorbeigekrochen.«
»Los, kommt«, knurrte Reitstiefel und bewies damit, dass auch er Keltisch beherrschte. »Wenn es tatsächlich die Spur ist, die wir suchen, sollten wir nicht länger warten. Sitz auf, Schotte. Wir haben es eilig.«
Calder nickte. Er eilte zu seinem Pferd, stieg in den Steigbügel und schwang sich in den Sattel. Die Augen betont nach vorne gerichtet, um Derrien nicht mit einem letzten, achtlosen Blick zu verraten, steuerte der Schotte sein Tier an die Spitze der Gruppe und ritt los, die Augen steif auf die imaginäre Spur gerichtet.
Erst eine Viertelstunde später wagte Derrien, aus seinem Versteck zu kriechen. Schnell eilte er zu der Rundhütte und klopfte an. Es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden.
SEOG (5)
Grindillskogr / Germanenwald am Romsdalsfjord, Norwegen
Donnerstag, 04. November 1999
Die Innenwelt
Nach Gwezhennegs Absturz erschien Seog der Rest des Tages wie im Traum. Benommen hatte er das Schneefeld überquert und auch den Rest des Abstieges, der bald wieder durch Wald führte und deshalb deutlich einfacher und ungefährlicher wurde, war er abwesend und brütend gewesen. Seine Gedanken kreisten darum, was er falsch gemacht hatte, wo er anders hätte handeln sollen, ob er zu sehr auf Gautreks Ratschläge gehört und zu wenig selbst gedacht hatte. Hätte er vielleicht doch zuerst gehen sollen, anstelle Gwezhenneg den Vortritt zu überlassen? Läge er nun tatsächlich tief verschüttet unter der Lawine, oder wäre er vielleicht doch an der Oberfläche der Lawine geblieben, wo ihn seine Regenerationskräfte zu neuem Leben hätten erwecken können?
Er wusste keine Antwort. Er befürchtete, dass er sein ganzes Leben lang keine Antwort mehr darauf erhalten würde, und das erschien ihm besonders erschreckend. Er war nun ein Anführer, nein, er war nun
der
Anführer. Kein Fürst, kein erfahrener Druide war hier, um ihm zu erklären, was er falsch gemacht hatte, und erst recht nicht seine Eltern. Er war alleine. Er fühlte sich, als ob er sich im Wald verlaufen hätte, einsam und verzweifelt und ohne Hoffnung, rechtzeitig den Weg nach draußen zu finden.
Immerhin hatten sie es endlich von diesem verfluchten Hang heruntergeschafft, gerade noch rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang. Nun hatten sie inmitten des Waldes in der Nähe des kleinen Flusses, der dieses tiefe Tal geschnitten hatte, ihr Lager aufgeschlagen, wo sie hofften, zumindest ein bisschen vor dem aufziehenden Sturm geschützt zu sein. Es sah alles reichlich improvisiertaus – richtige Zelte hatten die wenigsten, die meisten mussten sich damit begnügen, Wolldecken und Umhänge über das Gestrüpp zu legen, um sich darunter zu verkriechen. Seog würde nicht einmal diese bescheidene Annehmlichkeit für sich in Anspruch nehmen können, zu vieles an Ausrüstung hatte er mittlerweile zurücklassen müssen. Er war ohnehin derjenige, der unter den Flüchtlingen Wärme am wenigsten nötig hatte, er würde weder krank werden noch erfrieren. Dass die Nacht trotzdem nicht besonders angenehm werden würde, musste er dabei wohl in Kauf nehmen.
Die meisten der Flüchtlinge legten sich nieder, sobald ihr Lager errichtet war, eng beisammen und so dick in Felle und Decken eingehüllt wie nur irgendwie möglich. Doch eine kleine Schar war noch wach und mit Arbeit beschäftigt, trotz des Sturms, der totes Laub durch die Luft wirbelte und sich mit lautem Rauschen in den Baumwipfeln brach. Geirlaug, eine Germanin in mittleren Jahren, versuchte mit Feuerstein und Stahl ein Feuer zu entzünden, über Wind und Wetter fluchend. Der schwarze Bogenschütze Kwanza und Aleksandr, ein früherer Fomorer, versuchten, sie dabei mit ihren Mänteln vor dem Wind abzuschirmen. Arzhela, eine der Keltinnen, hatte in ihren Sachen Nadel und Faden gefunden und nähte einen Schnitt in Sigwards Unterschenkel, eine Wunde, die er sich beim Kampf gegen die Patrouille zugezogen hatte.
Trond, ein weiterer Germanenkrieger, beobachtete sie dabei aufmerksam. »Du machst das nicht zum ersten Mal«, murmelte er anerkennend in dem Kauderwelsch, das die Germanen als Norrøn bezeichneten und das Seog immer noch nur mit viel Mühe und Anstrengung verstehen konnte.
Arzhela lächelte ihn unsicher
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