Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
stieg in die Badewanne. Er drehte das Wasser auf heiß und hängte den Duschkopf in die Halterung über seinem Kopf. Während er sich einseifte, dachte er über die Ereignisse des Tages nach.
Die Hexer, gegen die er heute gekämpft hatte, waren alle noch am Leben. Keiner von ihnen war von magischen Waffen getötet worden. Insofern würden sie sich an ihn erinnern, er musste damit rechnen, dass morgen jeder Polizist im Umkreis von hundert Kilometern wusste, wie er aussah und wie gefährlich er war. Es würde gar nicht so einfach werden, zurück nach Bergen zu gelangen, zumal die E14 vorerst tabu für ihn war. Doch nach Bergen musste er, schließlich musste er das Mädchen in Sicherheit bringen. Sie war die Zukunft des Clans. Sie und der Gefangene, den Colt in das Krankenhaus nach Molde gebracht hatte. Vielleicht war es über ihn möglich, an die Hexer des Romsdalsfjords zu gelangen. Der Kontakt konnte enorm wichtig werden, sollte sich die alte Queen tatsächlich dazu entschließen, gegen die Bergener Schatten zu rebellieren. Die Möglichkeit stand dem Clan nun offen – eine Queen außerhalb der Kontrolle durch die Schatten verlieh den Rattenmenschen plötzlich Handlungsfreiheit.
Tief in Gedanken versunken, spülte er den Schaum davon und trocknete sich ab. In Ermangelung von frischer Wäsche band er sich das Handtuch um die Hüfte, spülte sich den Mund noch einmal aus und trat zurück in das Zimmer.
Tanya lag bereits im Bett, auf die Seite gedreht, mit dem Rücken zur Wand und angezogenen Knien. Das Kissen und die zweite Decke waren neben ihr bereitgelegt, offenbar war sie davon ausgegangen, dass er mit ihr im Bett schlafen wollte. Mickey sah sich um. Da der Kleiderschrank eine Einbauvariante war, ging er zum Tisch und trug ihn vorsichtig, um den Pensionswirt nicht durch unnötigen Lärm misstrauisch zu machen, vor die Tür. Das Nachtkästchen schob er darunter, so dass sich die Tür nur noch mit ziemlicher Geräuschentwicklung öffnen ließ. Nachdem er dieZimmertür abgesperrt und den Schlüssel verdreht im Schloss zurückgelassen hatte, nahm er Kissen und Decke und legte sie hinter der Tür auf den Boden. Tanya beobachtete ihn dabei aus halboffenen Augen, ohne jedoch etwas zu sagen. Er legte sich Pistole und Sturmgewehr in Griffweite und schaltete schließlich das Licht aus. Zweimal drehte er sich auf dem Boden hin und her, dann hatte er eine passable Position gefunden und schloss die Augen.
»Was bist du?«, fragte Tanya in die Dunkelheit. »Ein Söldner?«
»Ein Soldat«, erwiderte Mickey nach kurzem Nachdenken und fragte sich, ob sie in der fremden Sprache den feinen Unterschied verstand.
»Wo ist der Unterschied?«, fragte sie nach.
»Ein Söldner kämpft für Geld.«
»Und wofür kämpfst du?«
Die Frage war nicht schwer vorherzusehen gewesen. »Für meine Familie.«
»Ah.« Sie schwieg eine kurze Weile. Mickey lauschte auf ihren Atem und den Regen, der draußen wieder stärker wurde. »Und was hat das mit mir zu tun?«
»Du gehörst zu meiner Familie, im weitesten Sinne.« Und weil ihre nächste Frage noch viel einfacher vorherzusehen war, fügte er hinzu: »Hast du schon einmal von Ratten geträumt?«
Sie nahm einen schärferen Atemzug. Offenbar war er auf etwas gestoßen. Er konnte beinahe spüren, wie sie mit sich haderte. »Ja«, antwortete sie schließlich. »Oft sogar.«
»Und du hast bestimmt auch schon davon geträumt, selbst eine Ratte zu sein.« Sie antwortete nicht. Es war Antwort genug, weshalb er mit seiner Erklärung begann. »Vor tausend Jahren wurden in einer Serie von Ritualen die Körper und Seelen von Menschen und Ratten miteinander verschmolzen. Es sollte nur ein Experiment sein, von ein paar Hexern, die sich weit jenseits dessen bewegten, was ihre Gemeinschaft erlaubte. Ihre Experimente gelangen, doch nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Die Wesen, die daraus entstanden, diese Rattenmenschen, hatten ihreneigenen Willen behalten und entkamen ihrer Gefangenschaft. Die Hexer, die diese Rituale durchgeführt hatten, wurden verbannt, in den äußersten Norden Schottlands, damals ein wildes, düsteres Land, in dem blau angemalte Pikten gegen wilde Schotten Krieg führten, während ihre Küstendörfer unter den Plünderungen der Wikinger brannten.
Währenddessen jagten die übrigen Hexer nach den Rattenmenschen und töteten sie, wo immer sie sie fanden. Schließlich stellte sich jedoch heraus, dass die Nachkommen der Rattenmenschen nur gewöhnliche Menschen waren
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