Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
befürchtet hatte. Sie hatte sich damit wahrlich nicht beliebt gemacht. »Aber früher oder später wirst du deinen Fürsten trotzdem informieren müssen. Ohne ein Dutzend Jarle habt ihr wahrscheinlich nicht den Hauch einer Chance.«
»Genau das Gleiche würde Herwarth denken. Das wäre die absolute Katastrophe.«
»Wieso?«
»Drei Dinge. Zum Ersten glaube ich, dass Cintorix auf so etwas vorbereitet ist. Es wäre der erste Reflex, so viele Jarle wie möglich zusammenzutrommeln und anzugreifen. Zum Zweiten gefährdet eine solche Mission unsere ganzen Erfolge in Norddeutschland. Wenn die Jarle plötzlich weg sind, weil sie in Norwegen in eine Falle geraten sind oder aus irgendwelchen Gründen dort festsitzen, werden die Schatten Boden gutmachen und zum Gegenangriff blasen. Zum Dritten glaube ich, dass – falls wir tatsächlich mit einer solchen Aktion die Oberhand behalten würden – Cintorix bereit wäre, das Buch zu zerstören, bevor er es in unsere Hände fallen ließe. Du siehst: Katastrophe.«
»Was willst du stattdessen tun? Ihn höflich darum bitten?«
»Wir werden schon einen Weg finden.«
Keelin sah ihn skeptischen Blickes an. Glaubte Wolfgang wirklich, alleine etwas ausrichten zu können gegen Cintorix? Und dies, nachdem er zuvor allen anderen Jarlen Norddeutschlands das Potential dazu abgesprochen hatte? Sie begann sich zu fragen, wer dieser Mann überhaupt war, der da neben ihr saß. Er war nicht allzu alt, vielleicht dreißig, ziemlich klein geraten. Er trug graue Hosen mit seitlich angesetzten Cargotaschen und einen dunkelblauen Kapuzenpullover, braune Stiefel und eine ebensolche Winterjacke. Sein halblanges braunes Haar war wild und zerzaust nach der Flucht von der Harburg in der vergangenen Nacht, sein Siebentagebart ließ ihn vermutlich etwas älter erscheinen, als er tatsächlich war. Sein Augenlid zuckte noch immer. Ein bisschenerinnerte er Keelin an Mickey, den Anführer des norwegischen Rattenrudels, dem sie in Hamburg begegnet war. Doch wo Mickey abgebrüht gewirkt hatte, erschien Wolfgang nervös, wo Mickey einen coolen Eindruck hinterlassen, sich selbst und das Geschehen um sich herum stets unter Kontrolle hatte, schien Wolfgang unbeherrscht und impulsiv.
Sie fühlte sich immer noch für den Verlust des Buches verantwortlich. Wolfgang würde ihr die Verantwortung dafür nicht abnehmen können. Sie schnitt eine Grimasse und sah nachdenklich in die Nacht hinaus.
WOLFGANG (3)
Regensburg, Deutschland
Samstag, 06. November 1999
Die Außenwelt
Das Treffen mit den Bajuwaren fand in den frühen Morgenstunden statt, in der historischen Innenstadt Regensburg direkt unter dem Dom, einem tristen, dunklen Bau, dessen zwei gotische Haupttürme wie zwei Dolche in den stahlgrauen Herbsthimmel ragten. Darunter befanden sich Touristenbuden, größtenteils verriegelt und verrammelt. Wolfgang vermutete, dass im Herbst nicht viele Leute kamen, um sich das düstere Bauwerk anzusehen.
Die zwei Männer, die sie abholen kamen, waren Jarle, wie sich Wolfgang mit einer kurzen Anwendung seines Magiegespürs versicherte. Nach einer kurzen Begrüßung führten die beiden Bajuwaren sie durch schmutzige, schmale Gassen hindurch nach Süden. Sie passierten die Rückseite eines modernen Kaufhauses, gingen die Fröhliche-Türken-Straße entlang, deren Name nicht nur Wolfgang sonderbar erschien, und erreichten schließlich eine winterliche Parkanlage. Zwischen Hainen von kahlen Ahornbäumen und Rotbuchen wechselten sie über die dortige Pforte nach Midgard, wo die Bajuwaren den gefangenen Druiden vor den Nachstellungen von Polizei und Rattenmenschen sicher verwahrt hatten.
Erst dort, in einem lichten Wäldchen, der dem Park der Außenwelt bis aufs i-Tüpfelchen glich, waren die beiden Bajuwaren bereit, offen zu sprechen.
»Ich hätte erwartet, dass Euer Fürst für eine so wichtige Sache persönlich kommen würde«, erklärte Luthwig, ein kleiner, drahtiger Kerl, nur unwesentlich größer als Wolfgang, sportlich durchtrainiertund mit wachsamem Blick. Sein Dialekt war unüberhörbar bairisch.
»Mein Fürst führt Krieg gegen Hamburg«, antwortete Wolfgang. »Das ist seine Priorität, alles andere ist in seinen Augen zweitrangig.«
Und ganz davon abgesehen weiß er gar nichts von eurer Nachricht, aber das behalte ich wohl besser für mich.
»Wenn er diese Sache nicht ernst nimmt, ist er ein Narr! Es klingt wirklich wichtig, dieses Buch. Es könnte die Frage klären, Ihr wisst schon.«
»Die Frage
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