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Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Titel: Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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»Ein Druide bezieht seine Magie von seinem Baumzeichen, wie Ihr mit Sicherheit wisst. Was Ihr vermutlich nicht wisst, ist die Tatsache, dass das Baumzeichen auch in der Lage ist, diese Gaben zurückzufordern, zumindest für einen gewissen Zeitraum.«
    Keelin nickte.
    »Und was soll das bringen?«, fragte sich Wolfgang. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals in seinem Leben freiwillig auf all die Dinge zu verzichten, die ihn zum Jarl machten. »Und bezieht sich das auch auf Regeneration und die Fähigkeit, Portale zu nutzen?« Beides waren Fähigkeiten, die jeder Magier besaß, ganz egal, wie jung und unerfahren er war. Sie wurden nicht von Geistern verliehen, sondern waren eine Art Grundausstattung, weshalb sie meist nicht zu den eigentlichen »Kräften« eines Magiers gerechnet wurden.
    »Sämtliche Magie«, bestätigte Julius. »Ihr solltet wissen, was das bedeutet.«
    Wolfgang warf ihm einen verwirrten Blick zu. Was hatte es für eine Bedeutung, wenn – dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ruckartig sah er zu Keelin, aktivierte sein Magiegespür. Was er an ihr zu sehen bekam, war … nichts, nicht eine Spur des rötlichen Schimmers, der die Aura eines Magiers anzeigte. »Soll das etwa heißen, dass …« Er kämpfte mit dem Verständnis für die Bedeutung ihrer Tat. »Dass du …«
    »Wenn ich verletzt werde, bleibe ich verletzt«, erklärte Keelin.
    Ein eisiger Schauer lief Wolfgang den Rücken hinab. Wenn eswirklich wahr war, bedeutete das, dass Keelin nun genau so verwundbar war wie ein gewöhnlicher Mensch. Er dachte zurück an die unzähligen Male, in denen ihm seine Regenerationskräfte das Leben gerettet hatten, und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er plötzlich ohne Regeneration auskommen müsste. Allein schon der Gedanke reichte aus, um seine Knie weich werden zu lassen.
    Er sah in ihre Augen, sah die Furcht, die er darin erwartet hatte. Doch es war nicht die Furcht eines in die Ecke gedrängten Tiers, panisch und scheu. Zumindest würde er sich selbst panisch und scheu fühlen ohne seine Regeneration. Nein, es war eine kontrollierte Furcht, zurückgedrängt und überlagert von einer tiefen Entschlossenheit. Keelin war bereit, das Risiko auf sich zu nehmen, um das größere Risiko – die Entdeckung durch einen Auraleser – zu vermeiden.
    In diesem Moment spürte er, wie sich sein Herz ihr gegenüber öffnete. Der Mut dieses Mädchens, sich unter diesen Voraussetzungen noch immer in die Höhle des Löwen zu wagen, beschämte ihn, machte ihn klein und unbedeutend. Er konnte sich nicht vorstellen, unter gleichen Bedingungen genauso zu handeln, er, Wolfgang, Veteran unzähliger Pfadfindermissionen und Einzelgänge, Sieger über wissen-die-Götter-wie-viele Fomorer und Schatten, berühmt-berüchtigt in ganz Norddeutschland. Und da war dieses Mädchen, so dünn und zerbrechlich, dass Wolfgang das Gefühl hatte, sie mit bloßen Händen in zwei Stücke reißen zu können, ohne sich dabei groß anstrengen zu müssen, und verzichtete einfach so auf all ihre Magie.
    Ihm wurde bewusst, dass er sie anstarrte. Schnell wandte er sich ab, griff nach dem mittlerweile fertig gepackten Rucksack und lud ihn sich auf die Schultern. »Packen wir’s an?«
    »Packen wir’s an.«
    Der Marsch die Russa hinab war prinzipiell der gleiche Weg wie gestern in entgegengesetzter Richtung. Doch dieses Mal war es Midgard, nicht Utgard. Die Unterschiede waren deutlich spürbar. Der Kreuzwald hier in Midgard war dicht und gesund, währenddie Russa in Utgard nur von größerem Kiefergestrüpp und ein paar kahlen kleinen Birken begleitet worden war. Gestern hatten sie die Geräusche der vereinzelt vorbeifahrenden Autos fast bis hoch zur Pforte gehört. Hier gab es keine Straße. Nur das Dörfchen Allobroga. Es gab keine Kondensstreifen am Himmel und keine weggeworfenen Müllreste.
    Im dichten Schneetreiben überquerten sie den Sjoa, dicht beim Zusammenfluss mit der Russa. Sie begegneten keinem Menschen, obwohl Spuren am Ufer darauf hindeuteten, dass die Helvetier hier ihr Wasser holten. Vermutlich waren die beiden Seen, zwischen denen Allobroga errichtet war, bereits zugefroren. Sie folgten den Spuren und erreichten die ersten Gebäude, noch immer ohne auf einen Menschen zu treffen.
    Es war genau das, worauf Wolfgang spekuliert hatte. Bei diesem Schneefall würde kaum jemand freiwillig nach draußen gehen. Und selbst wenn sie von einem Einheimischen bemerkt wurden, was würde dieser dann sehen? Drei Personen, so

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