Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
gefunden hatte, der sich in einem Paralleltal im Norden befand. Ser’tòvish war letzte Woche zufällig darübergestolpert und hatte zuerst gar nicht glauben können, was er da entdeckt hatte, bis Tagaris schließlich persönlich dorthin gewandert war und den Fund des Rangers bestätigt hatte. Nun war der Schattenzauberer Tag und Nacht damit beschäftigt, den Keim zu einem vollen Portal zu erweitern. Nachdem Rushais Leute noch immer nicht das eigentliche Portal von Åndalsnes gefunden hatten, war dies die beste Alternative zu Sekken.
Rushai selbst hatte mit den Vorgängen am Portalkeim jedoch wenig zu tun. Er interessierte sich mehr für die Bäume des Isatals, insbesondere für eine alte, von Efeu bewachsene Steinbuche mit verkrümmtem, borkigem Stamm. Er hatte ihre Lebenskraft einer sorgfältigen Analyse unterzogen und beschlossen, dass sich der Baum trotz seines jungen Alters von etwa hundertzwanzig Jahrenbereits am Ende seines Lebensweges befand. Der Efeu machte ihm zu schaffen, sein Wurzelwerk war von einem Pilz befallen, der ihm langsam aber sicher die Nährstoffe entzog.
Nachdem Rushai den Baum analysiert hatte, hatte er nach der Baumseele gesucht und sie tief in den Stamm eingebettet gefunden. Nicht in der Krone wie in den meisten Bäumen, auch nicht im Wurzelwerk wie bei besonders windbelasteten Exemplaren, nein, im Stamm, eingemauert und zurückgezogen.
Nun war er damit beschäftigt, sie hervorzulocken. Er spürte ihre Aufmerksamkeit bereits, seitdem er seine Magie aktiviert hatte, doch sie war misstrauisch und skeptisch. Rushai spielte mit einer Vision von Kraft und Gesundheit, etwas, wonach sich die Baumseele im Angesicht des frühen Todes sehnen musste. Ganz langsam näherte sie sich an, vorsichtig und skeptisch streckte sie ihre Fühler nach seiner Vision. Doch seine Lüge war gut. Er spürte, wie die Seele begann, sich aus ihrer harten Schale zu schälen, zwar immer noch angespannt und bereit, sich in Bruchteilen von Sekunden zurück in ihren borkigen Stamm zurückzuziehen, aber auch neugierig. Er modifizierte die Vision, zeigte der Baumseele die Zukunft, eine gesunde Steinbuche mit grüner Blätterpracht und Ästen voller Saft, in deren Zweigen sich Vögel tummelten und Eichhörnchen herumkletterten. Die Seele war verführt, das spürte Rushai, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich endgültig einließ auf seine Lüge. Er ließ es Herbst werden, schmückte die Vision mit Bucheckern und bunten Blättern, zeigte der Seele, wie gesunde junge Triebe aus den Früchten schlugen und ihre Nachkommen heranwuchsen. Er spielte mit den Bildern, veränderte und modifizierte sie, bis sie immer mehr zu den geheimen Wünschen der Baumseele passten, bis sie schließlich und endlich nicht mehr anders konnte, als sich darauf einzulassen, ganz und gar im Bann seiner Vision.
In dem Moment, in dem sich die Baumseele völlig losgelöst hatte, stülpte er mit einem harten Ruck seine Essenz über sie. Er spürte ihren unendlichen Schrecken, ihr Zappeln in seiner Umklammerung, ihre kläglichen Hilferufe, doch Rushai war ein erfahrenerJäger und ließ nicht mehr los, erstickte die Baumseele in seinem Inneren, bis nichts mehr von ihr übrig war als ein zerstörter Kern, über den er sich hermachte. Er arbeitete an ihr und veränderte sie, hier ein Stückchen und dort ein bisschen, verschmolz Magie mit Emotionen, die er in den Seelenkern fließen ließ und sie schließlich anfüllte mit Hass und Liebe, mit Aggression und Unterwürfigkeit. Schließlich gebar er aus diesem Kern eine neue Baumseele, eine Kreatur, die ihn vergötterte und alles andere Leben verabscheute. Ein Sklavenbaum, geknechtet und gefesselt an Rushais Befehl.
Als sein Werk vollendet war, öffnete er erschöpft die Augen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nachdenklich sah er nach Westen, wo ihm seine Position am Hang einen guten Ausblick über das Isatal bis hin zum Romsdalsfjord ermöglichte. Dazwischen lag Wald, grün und grau, undurchdringlich und wild. Er hätte niemals den Reitertrupp bemerkt, der sich unten am Hang eingefunden hatte, wenn ihn nicht einer seiner Ranger darauf aufmerksam gemacht hätte. Doch Rushai hatte Tarakirs Handsignal bemerkt und warf ihm nun einen fragenden Blick zu. »Wer ist es?«
»Ashkaruna und ein ganzer Haufen seiner Neger.« Tarakir hatte noch nie einen Hehl daraus gemacht, die Schwarzen nicht ausstehen zu können. »Schätze, wir müssen zu ihnen runterkommen, wenn wir wissen wollen, weshalb sie da
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