Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Weile mit, auf ein Geländer gestützt, über das die Fischer manchmal ihre Netze warfen, wenn sie sie nach Löchern absuchten.
Er war bei zweiundzwanzig angelangt, als er hinter sich Zhûls heisere Stimme hörte. »Willst du die schlechte Nachricht hier in aller Öffentlichkeit hören oder sollen wir irgendwohin gehen, wo wir ungestört sind?«
Einen Seufzer unterdrückend, drehte sich Rushai um. Zhûlkam frisch aus dem Wald und trug seine braune Ranger-Kleidung, größtenteils fellbesetztes Leder, unter dem er ein altes Kettenhemd versteckte. Auf dem Kopf hatte der Ranger-Schatten eine Mütze aus Biberfell. Über der Schulter trug er einen Köcher, den Bogen hielt er unbespannt in der Hand. Er sah schmutzig aus, doch bei weitem nicht so schlimm wie der Mann daneben, ein kleinwüchsiger Krüppel von gerade einmal ein Meter vierzig Körperhöhe und dichtem, schwarzem Haar, das nahtlos in seinen Bart überzugehen schien.
»Ich komme«, murmelte Rushai. Er warf noch einmal einen Blick zu dem Fischerboot, dessen Besatzung mittlerweile offenbar fertig war mit dem Entladen ihres Fangs und sich nun daranmachte, die Takelage zu sichern. Rushai führte die beiden Ranger zu seinem Langhaus. Die Wache vor dem Eingang nickte ihnen zu, doch er ignorierte sie ebenso wie seine Bediensteten, die sich ehrfurchtsvoll vor ihm verbeugten. »Setzt euch«, meinte er und rief dann: »Macht uns drei Biere und verschwindet dann aus dem Haus!« Er ließ sich selbst nieder, bevor ihm einfiel: »Habt ihr Hunger?«
Zhûl schüttelte den Kopf, was Rushai nicht anders erwartet hatte. Zhûl gehörte zur spindeldürren Schattenvariante, die nur aßen, wenn es sich absolut nicht mehr vermeiden ließ. Aber der krüppelige Waldläufer sah hungrig aus, obwohl auch er den Kopf schüttelte.
»Sicher, Kennedy, dass du nichts essen willst? Du siehst aus, als ob du einen langen Weg hinter dir hättest.«
Der Ranger schüttelte noch einmal den Kopf. »Nein, mein Lord. Ich werde später essen.« Er sprach Londoner Cockney-Akzent.
Fast könnte man sentimental werden …
Doch Rushai hielt sich zurück. »Wie du willst«, meinte er stattdessen. Schweigend warteten sie, bis die Bediensteten das Bier gebracht und sich aus der Halle zurückgezogen hatten. Rushai stand auf und kontrollierte höchstpersönlich, ob auch niemand lauschte. Als er wiederkam, forderte er die beiden anderen zum Sprechen auf: »Nun erzählt. Was gibt es für schlechte Neuigkeiten? Mit Tagaris alles in Ordnung?«
»Ja. Ich bin wegen Kennedy hier. Er ist uns auf dem Rückweg vom Portal praktisch über die Füße gefallen.« Zhûl hatte dort mit ein paar Rangern für Lord Tagaris’ Sicherheit gesorgt. Der Schattenzauberer war noch immer mit dem Portalkeim beschäftigt.
»Warst du nicht mit dem kleinen Sergej auf Patrouille im Osten?«, fragte Rushai den Kleinwüchsigen.
Kennedy nickte. »Ja. Sergej hat mich zurückgeschickt. Wir haben Nachricht aus Oppdal.«
Rushai verzog keine Miene. »Sie kommen?«
»Sie kommen. Sie haben sich am vierzehnten in Bewegung gesetzt und marschieren in voller Stärke den Driva hinab nach Westen.«
»Den Driva?« Rushai zog die Augenbrauen nach oben. »Sie wollen tatsächlich die Berge riskieren?« Auf dem direkten Weg zwischen Oppdal und dem Romsdalsfjord lagen mehrere Kilometer tief verschneites, zum Teil lawinengefährdetes Gelände. Rushai hatte die Route sorgfältig ausgekundschaftet, schließlich wäre er selbst mit seiner Armee diese Route entlangmarschiert, um nach Trondheim zu gelangen. Doch dann hatte der Weiße Baum Trollstigen erobert und Rushai damit Zeit und einen hohen Zoll an Fomorern, Schatten, Ausrüstung und Geistern gekostet und seinen Zeitplan durcheinandergebracht.
»So hat es Achmat uns ausrichten lassen«, erklärte Kennedy.
»Wie viele sind es?«
Kennedy wechselte einen kurzen Blick mit Zhûl, ehe er antwortete: »Zwischen zehn- und zwanzigtausend. Ihren Tross dazugerechnet, glaubt Achmat eher an mehr als an weniger.«
Rushai pfiff leise durch die Zähne, nickte anerkennend. »Nicht schlecht. Da ist jemand ganz scharf darauf, Nägel mit Köpfen zu machen.«
»Viel mehr Menschen können dort oben kaum leben«, warf Zhûl mit heiserer Stimme ein.
»Oh, doch«, widersprach Rushai. »Glaube mir, wenn wir all diese Männer besiegt haben und mit unseren Truppen aufTrondheim marschieren, werden sie feststellen, dass sie noch mindestens zehntausend weitere Krieger aus ihrem Land quetschen können – das sind dann Alte, Kranke,
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