Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
wollte er wissen.
Zhûls Miene sah unglücklich aus. Äußerst unglücklich. »Soll ich Ashkaruna eine Nachricht überbringen?«
Rushai schnitt eine Grimasse. Langsam, aber sicher nahm die Situation brisante Maßstäbe an. Er wollte Ur’tolosh wirklich nicht mehr im Fjord haben, doch so, wie die Dinge nun standen, blieb ihm kaum noch eine andere Wahl. »Ja«, fasste er schließlich eine Entscheidung. »Sag ihm, dass ich die Unterstützung des Dämons brauche, und bitte ihn um Hilfe. Schleime ein wenig umseine Beine herum und mach dich dabei ein bisschen zum Affen, das mag er. Mach ihm klar, dass die ganze Situation ziemlich dringend ist und dass ich Ur’tolosh für mindestens ein paar Tage benötige, so lange, bis sich die Germanen entweder zurückgezogen oder sich auf eine Schlacht am Fjordufer eingelassen haben.«
Zhûl nickte. »Ich mache mich auf den Weg.« Damit wandte sich der Ranger-Schatten um und verließ das Gebäude.
Rushai ballte die Hand zur Faust. Eigentlich war es genau das, was sie sich nur wünschen konnten – der Feind kam ihnen entgegen, ließ sich auf dem von ihnen bestimmten Gelände schlagen. Wenn sie Glück hatten, würden sich in ein paar Wochen ihre Feinde quasi selbst eliminiert haben.
Es war nur sehr bedauerlich, dass sie sich dabei so gut abgesprochen hatten.
MICKEY (10)
Bergen, Norwegen
Samstag, 25. Dezember 1999
Die Außenwelt
Das Tauwetter der vergangenen Tage machte sich auch in der Bergener Kanalisation bemerkbar. Die Pegel waren hoch, die Strömung war reißend, die Brühe merklich dünner als sonst. Aus jedem Loch, jeder Rohrmündung quollen wasserfallartige Bäche und ließen die Flüsse in den Kanälen weiter anschwellen. In den tiefer gelegenen Bereichen der Kanalisation war jetzt bereits Land unter: Die dortigen Schächte und Gänge standen komplett unter Wasser, die örtliche Rattenpopulation war nach oben geflohen oder jämmerlich ersoffen.
Auch Mickeys beiden Körperratten machte das viele Wasser Schwierigkeiten. Die Brühe war längst in seine Wunden gelaufen, die noch immer nicht vollständig geheilt waren und nun brannten wie Feuer. Viele der Kanalbrücken und Rohrleitungen, die für die geheimen Wege der Rattenmenschen wichtig waren, waren überspült und vollgelaufen, so dass er schwimmen und in einem Fall sogar tauchen musste. Man musste die Pfade schon sehr genau kennen, um keinen unter Umständen sogar tödlichen Fehler zu begehen. Andernorts musste er sich gegen panische Ratten zur Wehr setzen, die ihm in den Rattentunneln entgegenkamen, auf der Flucht vor dem Ertrinken, oder schlichtweg ausharren, bis eine weitere Rotte an ihm vorüber war, und erst dann seinen Weg fortsetzen.
Sein Ziel war die große Versammlung. Spider würde heute vor dem Clan eine Rede halten. Die Traditionen sahen vor, dass Zweifler genau einen Monat, eine Woche und einen Tag Zeit hatten, sich mit dem neuen Anführer zu arrangieren. Wer nachdiesem Zeitraum noch immer kritisch war, würde heute die Gelegenheit zum Sprechen bekommen. Auch Mickey würde gehört werden, selbst wenn dies ein klarer Bruch der Traditionen bedeuten würde. Er hatte verloren, Spider stand nun über ihm, und außerdem hatte er dem Albino versprochen, sich nicht mehr einzumischen.
Doch er musste. Keelin hatte ihn am Ende der Versammlung in Lillehammer darauf angesprochen, und es war ein verdammt gutes Argument gewesen. »Was ist, wenn wir in der Silvesternacht auf deine Brüder stoßen?«, hatte sie gefragt, und Mickey hatte keine gute Antwort parat gehabt. Und sie
würden
auf Rattenmenschen stoßen, gar keine Frage. Keelin hatte ihn deshalb darum gebeten, beim Clan durchzusetzen, dass in dieser Nacht kein Rattenmensch seinen Unterschlupf verließ. Er hatte versucht, ihr die Bitte abzuschlagen, wollte seine Beziehung zu seinem Clan nicht noch weiter stören, doch sie war sehr eindringlich gewesen und hatte ihm klargemacht, wie wichtig es für sie alle war, wenn in dieser Nacht kein Hexer einen Rattenmenschen umbrachte, keine Ratte einen Hexer.
Natürlich hatte sie Recht gehabt, auch wenn er sich bei seinem letztlichen Einlenken nicht wohlgefühlt hatte. Doch was ihn wirklich verwirrt hatte, war der Kuss, den sie ihm zum Abschied auf die Wange gedrückt hatte.
Du bist ein sentimentaler Volltrottel
, schalt er sich und rief sich in Erinnerung, dass das Verhängnis mit Tanya ebenfalls mit einem Kuss begonnen hatte.
Oh, nein. Diesmal nicht!
Er schüttelte den Kopf, oder versuchte es zumindest,
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