Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
»Nichts?«, wiederholte sie.
Bauer sah nicht gut aus. Er hatte den Helm auf seinem Schoß liegen, so dass ihm die Haare ins Gesicht fielen. Trotzdem konnte Keelin erkennen, dass er blass wirkte, blass und angespannt. Er antwortete nicht, doch seine Hand lag auf dem Sprechgerät des Funkgeräts.
Erneut sah sie zwischen den Silvesterexplosionen eine Bewegung am Himmel. Sie verfluchte sich dafür, jedes Mal einen dieser blöden Männer anzuschauen, statt nach draußen zu sehen, denn erneut hatte sie nicht einmal vage erkennen können, was es gewesen war.
Täuschte sie sich, oder wurde Wolfgang noch langsamer? Er fuhr noch vorsichtiger an die Kreuzungen, überzeugte sich noch gewissenhafter in alle Richtungen, ob der Weg frei war, beobachtete noch aufmerksamer seine Rückspiegel.
Auch die Soldaten auf der Rückbank hatten mittlerweile mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Die Männer an der Schiebetür und den Fenstern beobachteten mit Argusaugen die Straßen, während die beiden in der Mitte nervös hin und her sahen. Der neben ihr hatte das Gewehr zwischen seinen Beinen so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß unter seiner blassen Haut hervortraten.
»Dort drüben«, murmelte Bauer.
Wolfgang fuhr an und überquerte die nächste Kreuzung. Keelin sah, was der frühere Feldwebel gemeint hatte. Ein ganzer Häuserzug stand dort in Flammen.
»Silvesterfeuer?«, fragte sie.
Wolfgang zuckte mit den Schultern.
Dann war sie plötzlich vor ihnen über der Straße, das, was Keelin schon lange befürchtet hatte, eine riesige Kreatur, mit gigantischen, vom Wind geblähten ledrigen Flügeln, einem langen schwarzen Rumpf, einem krokodilartigen Kopf mit einem Paar geschwungener Hörner.
»RAUS!!«, brüllte Wolfgang und stieg auf die Bremse.
Er riss die Tür auf und sprang nach draußen. Auf der Beifahrerseite zog einer der Soldaten hektisch die Schiebetür auf. Die Männer quollen hindurch, während Keelin fasziniert das Wesen vor ihnen anstarrte. Es hing etwa zehn Meter über dem Boden und hielt sich mit langsamem, kräftigem Flügelschlag an Ort und Stelle. Sein Körper schien mit Schuppen aus Rauch bedeckt zu sein, die seine Umrisse zerfließen ließen und es schwierig machten, es zu fixieren. Es hatte sie entdeckt und starrte eindeutig in ihre Richtung.
Es zog den Kopf etwas zurück, um Luft zu holen.
In plötzlicher Panik warf sich Keelin zur Seite gegen die Rücken der letzten beiden Soldaten, die sich aus der Tür quetschten. Zu dritt fielen sie auf die Straße, während aus den Nüstern des
Dings
zwei lange Flammenstrahlen schossen. Der Lieferwagen fing sofort Feuer. Keelin rappelte sich auf, half einem der beiden Soldaten auf, während die Hitze ihr Gesicht versengte und ihreHaare ankokelte. Hastig rannte sie in die Eingangstür, die einer der Soldaten aufgebrochen hatte.
Mit lautem Krachen explodierte der Lieferwagen auf der Straße in einem großen Feuerball.
Die Luft war rein, soweit Wolfgang das erkennen konnte. Dem Dämon hatte es offenbar fürs Erste genügt, ihre Fahrzeuge in Brand zu stecken. Jetzt war er vermutlich schon wieder damit beschäftigt, einen anderen Teil der Stadt anzuzünden. Wolfgang gab ein Signal in Richtung eines der Gebäude.
»Los, los, los!«, brüllte Tönnes.
Die Fallschirmjäger quollen aus den Gebäuden, geduckt, hastig, Gewehre im Anschlag. Spätestens jetzt hatten ihre Gehirne umgeschaltet in den Militärmodus. Ab jetzt herrschte für sie Krieg. Und wenn Wolfgang die Straße hinabsah, musste er anerkennen, dass es auch nach Krieg aussah. Schön hintereinander aufgereiht brannten die Wracks ihrer Lieferwagen vor sich hin, Trümmer davon lagen überall auf der Straße verstreut. Die Druckwellen der Explosionen hatten die meisten Fensterscheiben zerbrochen, und auch die graffitibesprühten Wände zeigten Risse. Aus dem Haus neben dem Führungsfahrzeug, das mitsamt ihrer schweren Ausrüstung wie Raketenwerfer und Maschinengewehr explodiert war, war sogar eine halbe Wand herausgebrochen und hatte Mauerschutt auf der Straße verteilt.
Menschen befanden sich keine mehr auf der Straße. Wolfgang wunderte sich nicht.
Zügig hastete er voran, seine MP5 im Anschlag, ohne sie jedoch entsichert zu haben. Sein Magiegespür war aktiviert, seine verstärkten Sinne waren es ebenfalls. Er wusste, dass ihn das früher oder später erschöpfen würde, doch Wolfgang hatte keine Lust darauf, dem Dämon ein weiteres Mal so plötzlich gegenüberzustehen. Hinter ihm folgten die
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