Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
aller-, allerbesten Freunden! Wenn ihr auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verliert, kommen die norðmenn und nehmen Papa und Mama mit, und ihr müsst dann in einer anderen Sippe leben. Habt ihr das verstanden?«
»Ja, Papa!«, antworteten die drei im Chor.
»Schwört bei den Göttern, dass ihr niemandem etwas sagt!«
Die Augen der Kinder waren groß und ängstlich, während sie die Worte des alten Schwures aufsagten:
»Bei Lug und Bormana schwören wir,
beim Götterfürsten, bei der Herrin der Fruchtbarkeit,
bei Dagda und Morrigan schwören wir,
beim Fürsten des Todes, bei der Herrin des Krieges,
bei Sul und Brigantia schwören wir,
beim Fürsten der Heiler, bei der Herrin des Landes,
bei Tarannis und Arduina schwören wir,
beim Fürsten des Wetters, bei der Herrin der Tiere.«
Sie schafften es durch die Formel, ohne sich einmal zu versprechen oder ins Stocken zu geraten. Seog nickte anerkennend. Gwezhenneg hatte seine Kinder wahrlich gut erzogen.
Es klopfte laut an die Tür. Gwezhenneg warf ihm einen kurzen Blick zu, flüsterte dann: »Versteckt Euch hinter der Tür!«
Seog nickte. Schnell stand er auf und folgte dem Rat.
Gwezhenneg öffnete. »Was gibt es, Gweltaz?«
»Hallo, Gwez. Ich habe dir etwas zu erzählen.«
»Ja? Dann erzähle!«
»Ähmmm …« Der Besucher schien für einen Moment verwirrt zu sein. Seog vermutete, dass dieser Gweltaz damit gerechnet hatte, hereingebeten zu werden. »Nun. Ich habe davon gehört, dass vor drei Tagen ein großer Trupp Soldaten die Treppe herabgestiegen sein soll.« Mit »Treppe« meinte er die große Treppe, die vom Isterdal hinauf über die Festung zum Trollstigenpass führte.
»Woher weißt du das?«
»Ich war auf Sekken, um mich mit den freien Bretonen zu treffen. Die haben mir davon erzählt. Angeblich war die gesamte Treppe voller Fackeln.«
Gwezhenneg war merklich überrascht. »Du warst auf Sekken?«
»Ja.«
»Gweltaz, bist du verrückt! Es ist verboten! Ohne eine Rune aufs Wasser zu gehen kann dich umbringen! Irgendwo da draußen lauert der Dämon!«
»Du weißt genauso gut wie ich, dass wir keine Runen bekommen werden, bis der Winter vorbei ist!« Gweltaz wurde etwas gereizt. »Meine Kinder haben
jetzt
Hunger! Und die freien Bretonen haben auf der Insel Wild im Überfluss. Sie brauchen Kleider und Werkzeuge und tauschen dafür Fleisch.«
»Von Sekken sieht man aber nicht zur Treppe«, warf Gwezhenneg skeptisch ein.
»Sie haben es auch nur aus zweiter Hand. Ein Fischer aus Gouelanig Mor 21 , der die Insel gestern angefahren hat, hat es ihnen erzählt .«
»Dann gibt es also noch mehr Männer, die nachts auf dem Fjord sind?« Gweltaz erwiderte nichts darauf, doch vielleicht hatte er genickt, denn Gwezhenneg fuhr fort: »Also gut, danke für die Nachricht. Jetzt geh nach Hause. Und erzähle niemandem sonst davon, hörst du?«
»Ja, Gwez. Sag mal, ist alles in Ordnung? Du wirkst so komisch!«
»Alles in Ordnung. Ärger mit den Kindern.«
»Ich hätte erwartet, dass dich das mehr interessiert …« Gweltaz’ Stimme klang deutlich verwirrt.
»Es interessiert mich, verlass dich darauf. Aber nicht jetzt, du kommst zu einem ungünstigen Zeitpunkt.«
»Also gut. Dann mach es gut.«
»Du auch.«
Nachdem Gwezhenneg die Türe wieder zugezogen und den Riegel vorgeschoben hatte, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und seufzte laut. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet.
»Der Hunger ist ziemlich schlimm, wenn die Männer es riskieren, vom Dämon gefressen zu werden«, kommentierte Seog. »Du bist noch immer Hauptmann, wie ich sehe.«
»Hauptmann?« Gwezhenneg schüttelte den Kopf. »Gautrek von den norðmenn ist Hauptmann. Durch die Herrschaft der Germanen habe ich sämtlichen Rang und Stand verloren.«
»Gweltaz kam zu dir, um dir diese Nachricht zu überbringen. Er hat dich zwar geduzt, was dafür spricht, dass ihr alte Freunde seid, aber dennoch hat er deinen Befehl erwartet und ihn ohne Widersprüche akzeptiert. Und du scheinst damit zu rechnen, dass er ihn auch befolgen wird. In den Augen deiner Leute bist du noch immer ihr Hauptmann.« Seine Mutter hatte viel Zeit damit verbracht, Seog beizubringen, auf solche Details zu achten. Sie war sogar so weit gegangen, dass sie befreundete Familien eingeladen hatte, um ihm kleine Szenen vorzuspielen, bei denen er im Anschluss Stellung und Rang eines jeden Teilnehmers beurteilen musste. Er hatte diese Schauspiele geliebt, nicht zuletzt deswegen, weil er gut
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