Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
oft in einer Frauenrunde wie dieser das Wort ergriffen. Seitherhatte er gelernt, dass solche Gespräche nicht für ihn bestimmt waren, selbst wenn er zu verstehen glaubte, worum es sich drehte.
Stattdessen grübelte er ziellos vor sich hin, durch die Notwendigkeit seiner Tarnung zur Untätigkeit verdammt. Doch sosehr er sich auch in seine Problematik vertiefte, so wenig kam er einer Lösung näher. Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, wie sich sein großes Vorbild Derrien in einer solchen Situation verhalten würde. Was sollte er tun? Ins Exil gehen? Oder versuchen sein Volk in die Freiheit zu führen, alleine gegen eine unbestimmte Anzahl germanischer Jarle?
Gegen Ende des Vormittags begannen die Frauen, das Mittagsmahl für ihre Männer zu bereiten. Bald war Gwezhennegs Hütte angefüllt mit einem intensiven Zwiebelgeruch, der Seog das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Er konnte die Rückkehr der Männer kaum noch erwarten, obwohl er sich redliche Mühe gab, sich davon nichts anmerken zu lassen. Als die Männer schließlich kamen, war der Tisch bereits gedeckt, die Zwiebelsuppe gerichtet und die Brotkiste bereitgestellt.
Doch gerade als Tekla die Kelle in die Suppe tauchte, war von draußen lauter Hufschlag zu hören. Die Kinder sprangen auf und liefen zur Tür, doch ihre Mutter rief sie zurück zum Essenstisch. »Das ist nur ein Reisender!«
Gwezhenneg schüttelte den Kopf. »Zu schnell für einen Reisenden. Das ist ein Bote.«
Seog warf ihm einen skeptischen Blick zu, doch dann hörten sie schon die Rufe. Es war Norrøn, die Sprache der norðmenn, die Stimme klang aufgeregt.
»Los, auf!«, zischte Gwezhenneg. »Sehen wir zu, dass wir erfahren, worum es geht!« Plötzlich und unerwartet ließ der frühere Hauptmann für einen Moment den Stahl in seinem Charakter aufblitzen, der ihn im Schildwall zu einem Hauptmann gemacht hatte. Noch bevor Seog Gwezhennegs plötzliches Interesse an diesem Boten verstanden hatte, waren der ehemalige Hauptmann und die beiden anderen Männer auch schon verschwunden.
Nervös wartete die Sippe auf ihre Rückkehr, das Mittagessenwar erst einmal vergessen. Die Kinder standen mit großen Augen bei der Tür und sahen abwechselnd aus einem Astloch im Holz, während Tekla und die anderen Frauen wieder nach ihren Spindeln griffen und geistesabwesend Wolle spannen. Gwezhennegs Onkel, dessen Verstand bereits vom Alter in Mitleidenschaft gezogen war, stieß überzeugt aus: »Das sind unsere Leute! Die Druiden sind zurück! Ich habe es immer gesagt!«, erhielt aber keine Antwort darauf.
Schließlich hörte Seog, wie der Bote davonritt, so wie es klang im gestreckten Galopp, um seine Nachricht weiterzutragen, Siedlung für Siedlung das Fjordufer entlang. Kurz darauf kam Gwezhenneg zurück, etwas außer Atem vom schnellen Laufen.
»Herr Seog!« Er war aufgeregt.
Zu
aufgeregt für einen sonst so ruhigen Mann. »Herr! Es waren Trolle auf der Treppe, keine Germanen! Kêr Bagbeg ist umstellt und belagert, niemand kommt rein oder raus, und das schon seit Montag! Jarl Run ruft den leiðangr ein! Das heißt, alle kampfestauglichen Männer haben sich bewaffnet und gerüstet bei ihren Hauptleuten zu sammeln und nach Gouelanig Mor zu marschieren!«
Seog atmete tief durch. Damit war alles klar, er spürte, wie mit einem Schlag sämtlicher Druck von seinen Schultern genommen war. Ein Exil in Britannien stand außer Frage. Nain im Romsdalsfjord? Nicht, solange er lebte!
Als Erstes brauchte er Männer. Dazu musste er sich als Druide zu erkennen geben, sonst würde ihm gewiss niemand folgen. Er musste als Kriegsherr auftreten, und dafür brauchte er Waffen. »Gwezhenneg, hast du noch deine Ausrüstung? Ich brauche sie.«
Der ehemalige Hauptmann schüttelte den Kopf. »Die Germanen haben sie genommen. Aber ich habe noch das Plündergut aus dem Krieg. Ich hatte es vergraben, die norðmenn haben es nicht gefunden, als sie gesucht haben.«
»Was ist es?«
»Ein Kurzschwert, ein Helm, ein Schild und eine Speerspitze, schön säuberlich in eine Kiste gepackt und unter unserem Lager vergraben.«
»Gut. Du musst die Kiste ausgraben, jetzt gleich. Ich brauche alles.«
Gwezhenneg nickte und machte sich mit den anderen Männern sogleich an die Arbeit.
Derweil wandte sich Seog an die Frauen. »Ich brauche die beste Kleidung, die das Haus zu bieten hat«, forderte er.
Tekla sprang auf und begann, in der Kleidertruhe zu wühlen. Sie brachte daraus ein neues Paar Lederstiefel und bunt karierte
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