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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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begriff, dass sie ihm ein wenig entgegenkommen musste. Er hatte Angst um sie, das war ihm deutlich anzusehen. Also nickte sie. »Einverstanden!«
    »Ach übrigens: Ich soll dich von deiner Mutter grüßen. Wir haben gestern Abend telefoniert, und als ich ihr erzählt habe, was passiert ist, hat sie gemeint, sie kommt so schnell wie möglich nach Hause.«
    »Schön«, murmelte Kim.
    »Ich vermute allerdings, die Ärzte werden sie nicht so einfach gehen lassen.« Sigurd schob seinen eigenen Müsliteller weg. »Wollen wir?«
    Kim nickte.
    »Dann los!«, sagte Sigurd.
    Das Gewühl in der Pausenhalle war genauso laut und fröhlich wie an jedem anderen Tag, und das irritierte Kim sehr, als sie durch die Eingangstür trat.
    Warum nur hielten die anderen nicht einfach die Klappe? Sie konnten doch nicht so tun, als wäre überhaupt nichts passiert. Wussten sie etwa noch gar nichts von Maries Tod? Es sah fast so aus.
    Langsam ging Kim zu Ernies Terrarium. Da öffnete sich die Tür des Rektorenzimmers. Ein blasser Mann kam heraus. Es war Dr. Heuer, der Leiter der Albert-Einstein-Gesamtschule. Einen kurzen Moment blieb er stehen und sah sich um. Dann presste er die Lippen zusammen, betrat die kleine Bühne an der Stirnseite der Halle und baute sich dort auf.
    Die ersten Schüler wurden auf ihn aufmerksam und begannen zu tuscheln. Der Direktor hob die Hände. »Darf ich einen Augenblick um Ruhe bitten?«, rief er gegen das Stimmengewirr an.
    Normalerweise dauerte es mehrere Minuten, bis die Schüler sich beruhigten und es richtig still war. Aber diesmal war es anders. Es schien so, als würden alle plötzlich spüren, dass etwas Schlimmes passiert war. Innerhalb von wenigen Sekunden verstummte jedes Gemurmel. Nur ein Junge aus der sechsten Klasse lachte noch laut, aber die anderen starrten ihn strafend an und sein Freund gab ihm einen Rippenstoß. Erschrocken zog er den Kopf zwischen die Schultern und schwieg betroffen. Sein Gesicht wurde puterrot.
    Dr. Heuer räusperte sich. »Danke. Ich habe euch eine schlimme Nachricht zu überbringen.« Er rieb sich mit der flachen Hand über Mund und Kinn, bevor er weitersprach: »Eure Mitschülerin Marie Gottwald wurde, wie ihr vielleicht wisst, seit Samstagabend vermisst. Gestern Abend hat mich die Polizei angerufen und darüber informiert, dass Marie tot ist. Sie …«
    Erschrockenes Gemurmel unterbrach ihn. Jemand rief mit schriller Stimme: »Tot?« Kims Klassenkameraden starrten sich bestürzt an, dann begann Sabrina, die ganz in der Nähe von Kim stand, laut zu schluchzen. Das Geräusch erhob sich über das Gemurmel der anderen und Kim schloss die Augen. Ihr war so unendlich schlecht. Warum nur hatte Sigurd sie nicht gezwungen, zu Hause zu bleiben?
    Wieder räusperte Dr. Heuer sich. »Bitte, Herrschaften! Ich bin noch nicht fertig!« Diesmal dauerte es länger, bis sich alle wieder beruhigt hatten. Als es endlich still wurde, fühlte Kim sich wie in einer Friedhofskapelle.
    »Ich muss euch leider mitteilen, dass Marie keines natürlichen Todes gestorben ist«, sprach Dr. Heuer weiter. »Es hat den Anschein, dass sie ermordet worden ist.«
    »Ermordet?« Die gleiche schrille Stimme. Kim öffnete die Augen wieder und suchte nach der Person, zu der sie gehörte, aber sie konnte sie in der Masse der Schüler nicht ausmachen. Diesmal hatten Dr. Heuers Worte alle Schüler in Stein verwandelt. In der ganzen Halle herrschte gelähmtes Schweigen.
    Kims Beine waren auf einmal wie aus Gummi. Sie wankte zu einer der Bänke vor Ernies Terrarium und die beiden Mädchen, die dort saßen, machten ihr rasch Platz. Mit klopfendem Herzen sank Kim nieder. Ihr Gesicht fühlte sich kalt an.
    »Die Polizei tut alles, um den Täter so schnell wie möglich zu fassen, aber bis das gelungen ist, sollten wir alle vorsichtig sein«, hörte sie Dr. Heuer sagen. In ihren Ohren steckte irgendwas, Watte oder so. Jedenfalls klangen alle Geräusche plötzlich, als kämen sie aus weiter Ferne.
    Werd bloß nicht ohnmächtig!, ermahnte sie sich und klammerte sich an der Sitzfläche der Bank fest.
    »Bitte, verlasst dieses Gebäude nur zu zweit, besser noch zu dritt oder viert«, sagte der Rektor.
    »Aber was ist, wenn der Mörder einer von uns ist?«, rief irgendein Junge.
    Gemurmel wurde laut, durchdrang den Druck auf Kims Ohren. »So ein Quatsch!«, sagte eine Mädchenstimme.
    »Kann doch sein, oder?« Der Junge sah sich um Zustimmung heischend um. Er war dünn und ganz in Schwarz gekleidet. Seine Haare hatte er mit viel

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