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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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wachsen lassen, an dem solche Worte in Zukunft einfach abprallten.
    »Wäre ja kein Wunder«, lästerte Jonas weiter. »War er nicht schon mal im Knast?«
    In diesem Moment zersprang die Starre, in die Kim sich gehüllt hatte, in tausend Scherben. Wie eine Katze zuckte sie hoch, mit ausgefahrenen Krallen und zornverzerrter Miene.
    »Verpiss dich!«, fauchte sie Jonas ins Gesicht.
    Der wich einen Schritt zurück, und erst als Kim sah, wie blass er plötzlich geworden war, bemerkte sie, dass sie tatsächlich die Rechte zum Schlag gegen ihn erhoben hatte. Sie unterdrückte den Impuls, den Arm sinken zu lassen, sondern starrte Jonas stattdessen weiter herausfordernd in die Augen.
    »Schon gut!«, murmelte er und machte einen Rückzieher. Er war schon fast um die nächste Ecke verschwunden, als Kim ihn ätzen hörte: »Vollfreak!«
    Kraftlos ließ Kim sich zurück auf die Bank fallen.
    Auf der anderen Seite der Pausenhalle wurde die Eingangstür geöffnet und jemand kam herein. Kim hob den Blick und erstarrte.
    Es war Lukas!
    Im ersten Moment machte ihr Herz vor Freude einen Sprung. Die Polizei hatte ihn laufen lassen! Er war also unschuldig! Aber dann gewann der Verstand Oberhand. Was, wenn sie ihm nur einfach nichts hatten nachweisen können?
    Sie rutschte ein Stück tiefer, in der Hoffnung, Lukas würde sie nicht entdecken, aber das war natürlich idiotisch. Sein Blick schweifte durch die leere Halle und blieb dann an ihr hängen.
    Für einen langen Moment sahen sie sich einfach nur an.
    Blass war er, dachte Kim. Ob sie ihn die ganze Nacht über in Gewahrsam gehabt hatten? In ihrer Vorstellung sah sie einen abgenutzten Metalltisch, olivgrüne Wände, Handschellen. Polizisten, die Lukas gegenübersaßen und ihm immer wieder dieselben Fragen stellten.
    Wo waren Sie am Samstagabend?
    Haben Sie Marie Gottwald umgebracht?
    Kim schluckte schwer.
    Lukas setzte sich in Bewegung und kam direkt auf sie zu. Kurz bevor er sie erreicht hatte, senkte er den Kopf und wich ihrem Blick aus.
    »Es tut mir alles so leid«, flüsterte er im Vorbeigehen und verschwand im Trakt der Oberstufe.
    Kim konnte sich nicht rühren.
    Ihr Blick fiel auf einen dunklen Audi, der vor dem Schulgebäude stand. Kim versuchte, den Fahrer zu erkennen, dann sah sie, dass es Kommissar Weidenschläger war. Er winkte sie zu sich.
    Sie nahm all ihre Kraft zusammen und erhob sich mühsam. Mit steifen Schritten ging sie zu ihm.
    Weidenschläger kurbelte das Beifahrerfenster herunter. »Hallo, Kim«, sagte er freundlich. »Ich habe dich eben da drinnen gesehen. Eigentlich hatten wir vor, dich heute Nachmittag aufs Revier zu bitten, weil wir noch ein paar Fragen haben. Aber wir können das auch gleich jetzt erledigen, wenn du einen Augenblick Zeit hast.«
    Kim zuckte müde mit den Schultern. »Klar.« Und dann rutschte ihr die Frage einfach so heraus: »Ist er unschuldig?«
    Ein schwaches Lächeln erschien auf Weidenschlägers Lippen, erreichte aber seine Augen nicht. »Du meinst Lukas? Du magst ihn, nicht wahr?«
    Kim zuckte erneut mit den Schultern. Das wurde langsam zu einer wirklich schlechten Angewohnheit. Sie musste sich das dringend wieder abgewöhnen.
    »Tatsache ist, wir wissen es nicht, Kim«, erklärte der Kommissar. »Er ist freiwillig mit aufs Revier gekommen und hat alle unsere Fragen beantwortet, so gut er konnte. Ich habe nicht das Gefühl, dass er uns angelogen hat, aber ich kann natürlich nicht sicher sein. Allerdings hat er eine DNA-Probe abgegeben, ebenfalls freiwillig, was eindeutig für ihn spricht.«
    »Sie haben ihn freigelassen«, murmelte Kim.
    »Ja. Das müssen wir tun, solange wir keinen ausreichenden Tatverdacht haben. So sind die Regeln, kompliziertes Polizeizeug. – Komm, setz dich am besten ins Auto, dann können wir besser reden.« Er öffnete die Tür.
    Kim kam der Aufforderung nach und glitt auf den Beifahrersitz. »Warum hat er sich damals nicht gemeldet, als Nina ermordet wurde?«
    »Ja, das ist für uns auch der entscheidende Punkt. Wir haben ihn danach gefragt, aber er konnte uns keine befriedigende Antwort darauf geben. Er sagte nur, er habe Angst gehabt, dass wir ihn für einen Schläger wie seinen Vater halten. Nennen Sie mich einen Feigling, hat er gesagt. Aber ich bin kein Mörder.« Weidenschläger seufzte. »Ich darf dir das alles eigentlich überhaupt nicht erzählen.«
    »Warum tun Sie es dann?«
    Weidenschläger ging nicht darauf ein. »Wir haben übrigens auch nachgeprüft, was du neulich erwähnt hast. Du hast

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